: Robben haben keine Ideologie
■ Nach Bundestagsdebatte über ökologischen Notstand in Nord- und Ostsee ist Sofortprogramm nicht in Sicht / Kein weiterer Zuschlag für Dünnsäure-Verklappung / Internationale Umweltpolitik gefordert
Robben haben keine Iedologie
Nach Bundestagsdebatte über ökologischen Notstand in Nord
und Ostsee ist Sofortprogramm nicht in Sicht / Kein weiterer Zuschlag für Dünnsäure-Verklappung / Internationale
Umweltpolitik gefordert
Bonn/Hannover (taz) - Ein Sofortprogramm vielleicht in zwei Jahren - das ist das Ergebnis der gestrigen Bundestagsdebatte über den ökologischen Notstand in Nord und Ostsee.Die Anträge der Opposition, mit einem Notprogramm (Grüne) oder einer konzertierten Aktion (SPD) umgehend Schadstoff-Einleitungen zu drosseln'wurden auf die lange Bank der Ausschußberatungen verwiesen.Die Regierungsparteien begnügten sich damit, die schlappen Beschlüsse der letzten Nordseekonferenz zu bekräftigen und die Bundesregierung „prüfen“ zu lassen, ob „weitergehende gesetzliche Maßnahmen zum Schutz von Ost- und Nordsee erforderlich“ seien.Der CDU -Abgeordnete Peter Carstensen, auf der Insel Nordstrand beheimatet, behauptete glattweg'die Bundesrepublik könne die Probleme der Nordsee nur zu „zwei bis fünf Prozent beeinflussen“, dies lehre ein Blick auf die Landkarte.
Der SPD-Politiker Harald Schäfer hielt dagegen, daß die Bundesrepublik der größte Verschmutzer der Nordsee sei. Eine „nationale konzertierte Aktion“ von Bund, Industrie, Landwirtschaft, Fischerei, Fremdenverkehr und Umweltverbänden müsse über Maßnahmen beraten. Für die Grünen forderte Charlotte Garbe: „Keiner der Stoffe, die die Meere verseuchen, darf mehr hergestellt werden.“
Nach einem Gespräch zwischen dem Bundesumweltministerium, dem niedersächsischen Umweltministerium, dem Bundesumweltamt und weiteren Behörden ist das Bestreben der Firma Kronos -Titan, in diesem Jahr noch 40.OOO Tonnen Dünnsäure zusätzlich zu verklappen, angeblich „vom Tisch“, sagte Umweltminister Töpfer. Die Verklappung der Dünnsäure aus der BRD generell jetzt zu stoppen, wie es auch die FDP gestern im Bundestag forderte, wäre nach Töpfers Ansicht nur „eine Symbol-Politik“. Die Firmen ihre Produktion ins Ausland verlagern, wenn sie jetzt nicht mehr verklappen dürften , behauptet Töpfer.
Der niedersächsische Umweltminister Werner Remmers versicherte im Anschluß an das Bonner „Dünnsäure-Gespräch“, daß die Firma Kronos-Titan über die genehmigten 238.000 Tonnen hinaus keinen „Zuschlag“ bei der Verklappung erhalten werde. Inzwischen hat Remmers auch auf den Antrag der Preussag und der Texaco, im Nationalpark Wattenmmeer nach Öl zu bohren, reagiert: Der Minister will am heutigen Samstag das „Ölbekämpfungsschiff Eversand“ taufen, das „generell bei Ölaustritten in der Nordsee“ eingestzt werden soll. Der stellvertretende Vorsitzende des BUND, Prof. Gerhard Thielke, hat unterdessen zur Reduzierung des Stickstoffs die Einführung einer Stickstoffsteuer für die Landwirtschaft vorgeschlagen. Zur Entlastung der Flüsse fordert Thielke unter anderem, die Ackerflächen an den Flußufern wieder durch Wiesen und Weiden zu ersetzen, um die direkte Belastung zu reduzieren. Außerdem müsse zur Entlastung von Nord- und Ostsee ein „Sofortprogramm zur Renaturierung von Fließgewässern“ angeworfen werden.C.W.
Mainz (ap) - Im Zusammenhang mit den jüngsten Umweltkatastrophen hat der rheinland-pfälzische FDP -Landesvorsitzende Rainer Brüderle Bundesaußenminister Hans Dietrich Genscher gebeten, seine internationalen Kontakte zu nutzen, um zu einer „internationalen Umweltpolitik“ zu kommen. „Die aktuelle Umweltkatastrophe in der Nord und Ostsee macht deutlich, daß es weder demokratische noch kommunistische, daß es weder christliche noch islamische Robbenbabys, sondern nur Robbenbabys gibt“, meinte Brüderle. Eine „Schadstoff-Abrüstung“ sei „ebenso wichtig wie die Abrüstung von Waffen“.
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