: Da strahlt die Lederhose...
■ Böden in Bayern noch immer stark durch Tschernobyl-Fallout belastet / Meßprogramm der Landesregierung ergab 27.000 Becquerel Cäsium für Südbayern / Spitzenwert lag bei 140.000 Becquerel
Da strahlt die Lederhose...
Böden in Bayern noch immer stark durch Tschernobyl-Fallout belastet / Meßprogramm der Landesregierung ergab 27.000
Becquerel Cäsium für Südbayern / Spitzenwert lag bei 140.000 Becquerel
Von Manfred Kriener
Berlin (taz) - Die Böden in Bayern sind zwei Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl noch immer stark mit radioaktivem Cäsium belastet. Eine flächendeckende Untersuchung der bayerischen Landesregierung ergab für Südbayern eine durchschnittliche Belastung von 27.000 Becquerel Gesamt-Cäsium. Der gemessene Spitzenwert betrug 140.000 Becquerel. Zum Vergleich: Vor Tschernobyl hatten die Böden in der Bundesrepublik eine durchschnittliche radioaktive Belastung von 1.300 bq.
Bei dem Meßprogramm wurden 2.039 Bodenproben an 1.137 Standorten in ganz Bayern gezogen. Dabei zeigte sich ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Den durchschnittlich 27.000 bq in Südbayern stehen 9.400 bq in Nordbayern gegenüber. Ungeachtet der bis zu hundertfach erhöhten Werte (gegenüber Vor-Tschernobyl) beurteilt der bayerische Umweltminister Dick die gemessene Strahlung als „gesundheitlich unbedenklich“. Aus der durchschnittlichen Bodenbelastung für Südbayern folge bei achtstündigem Aufenthalt im Freien eine äußere Bestrahlung von 12 Millirem jährlich für die betroffene Bevölkerung. Rechne man die radioaktive Belastung aus der Nahrungskette dazu, erhöhe sich dieser Wert auf 15 Millirem.
Eine ganz andere Rechnung macht das Münchner Umweltinstitut (MUI) auf, das sich durch die amtlichen Meßwerte bestätigt sieht. Aus dem Meßprogramm gehe klar hervor, so Helmut Scholz vom MUI, daß an einzelnen stark belasteten Gebieten der Grenzwert von 30 Millirem überschritten wird. (Dieser Grenzwert gilt für die Anwohner von kerntechnischen Anlagen. Sie müssen so ausgelegt sein, daß dieser Wert auch unter ungünstigsten Bedingungen nicht überschritten wird.) Scholz forderte erneut, daß an Kinderspielplätzen der Spielsand und belastete Böden erneuert bzw. abgetragen werden. Dies schreibe das Minimierungsgebot der Strahlenschutzverordnung zwingend vor. Das Meßprogramm des Umweltinstituts habe für Spielplätze Werte von bis zu 128.000 bq ermittelt. Außerdem müsse bei landwirtschaftlichen Flächen erwogen werden, einzelne Felder brach liegen zu lassen.
Davon will die bayerische Landesregierung nichts wissen. Die festgestellte radioaktive Belastung durch kontaminierte Böden liege noch „innerhalb der Schwankungsbreite der natürlichen Strahlung“ (Umweltminister Dick). Aber auch diese ist, wie das Münchner Umweltinstitut dagegen hält, für Krebserkrankungen verantwortlich.
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