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Wände-Politik -betr.: "Geist und Natur", taz vom 8.6.88

Wände-Politik

betr.: „Geist und Natur“, taz vom 8.6.88

Es ist erstaunlich, wie Peter Gäng, der noch unlängst (am 25.5. in der taz) über den „Weg zur eigenen Moral“ am Beispiel der Studentenbewegung sinierte und für die Aufhebung auch von Denkverboten plädierte, nun von der Geist - und Natur-Tagung berichtet hat, die ebenfalls all das in Aussicht zu stellen schien. Während der Verdacht von Robert Jungk, daß auf dieser Tagung für allerlei Wölfe attraktivere Schafspelze gesucht würden, nur kurz gestreift wird, stürzt sich Gäng anschließend in das Gewimmel der Tagung, wobei die gesellschaftspolitische Instrumentalisierung von Theorien und Ideologien von ihm ebenso banalisiert wird, wie die Frage nach den Normalisierungs- und Anpassungszwängen'die sich aus bestimmten Theorieformen heraus ergeben.

Eklatant deutlich wird diese Ignoranz in seiner schlichten Sympathie für das Wissen aus Fernosts, das von ihm als Heilmittel zum Beispiel für die „Ergänzung und Korrektur“ der Naturwissenschaften empfohlen wird: Wieso vergißt er, sich und die Tagung zu fragen, wie dieses Wissen aus Fernost mitgeholfen hat, dort Diktaturen oder gar den Faschismus in Japan zu etablieren? Daß die „Naturliebe der Japaner“ sich anscheinend ebenso gut mit der Errichtung von Konzentrationslagern vertragen hat wie die Naturliebe der Deutschen, fällt nicht auf! Hieran zeigt sich doch in monströsem Maß die enge Verkopplung von Wissen, Macht und Politik nicht nur im Bereich des „harten“ sondern auch des „weichen“ Wissens! Da hätten ein paar (auch marxistisch orientierte) „Sozialwissenschaftler“ sicher nichts mehr „retten“ können, wenn die Tagung nichts anderes als ein bunter Supermarkt der Ideenpolitik sein will, Politik -Lifting für unsere Wände-Politik: bis hier und nicht weiter! Hauptsache die Leute kommen für schlappe 840 Mark die Woche von der Straße und nicht auf falsche Ideen. Daß die Theorie-Simulationen der Anthroposophie oder eines Rupert Sheldrake gefehlt haben, scheint tatsächlich ein Zufall: Peter Gäng sollte die nächste Tagung mit vorbereiten!

Der mit „Highlights“ betitelte Schlußabschnitt seines Beitrages ist dann das völige black-out, was politische Sensibilität betrifft: nicht nur daß der Richard von Weizsäcker unter den Philosophen, Hans Jonas, das Prädikat „wichtig“ für seinen mit „geradezu alttestamentarisch prophetischer Eindringlichkeit“ vorgetragenen Beitrag erhält (hat Gäng damals auch schon gelebt?), sondern zum guten Schluß darf der hartgesottene Antikommunist und Lieblingsphilosoph von Helmut Schmidt, Karl Popper, ein dumpfes, gut christdemokratisches Schlußwort sprechen: Seid optimistisch! („Weiter so, Deutschland!“ nennt das Heiner Geißler). Das reicht Gäng für seinen „Höhepunkt“ auf einer Tagung, die mal wieder nur Dummheit und Trägheit, auch unter den Teilnehmern kultiviert zu haben scheint. Aber: Bleiben wir im Dialog (mit Herrn Popper), während die Natur stirbt, oder ziehen wir uns einfach zurück und malen schöne Aquarelle mit verseuchtem Wasser. Hauptsache keine Opposition, keine Gewalt gegen Wände-Politik! Stefan Hesper, Berlin 62

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