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Machtgerangel

■ Die Militärs und die Macht auf Haiti

Die Geschichte wiederholt sich nicht, es sei denn als Farce, warnte ein deutscher Philosoph vor mehr als hundert Jahren. Wenn die These noch eines Beweises bedurft hätte, in Haiti ist er zu finden. „Vive l'armee!“ schlug es dem General Namphy aus den Straßen von Port-au-Prince entgegen, als er vor zweieinhalb Jahren seine Militärjunta vorstellte. Jean -Claude Duvalier alias „Baby Doc“ hatte sich nach Frankreich abgesetzt, auf den Straßen wurde gefeiert und auch gelyncht. Der Haß der Haitianer entlud sich gegen die Tontons Macoutes, die Privatmiliz der Duvaliers, die das schmutzige Geschäft der Diktatur besorgt hatte. Die Armee hingegen konnte sich mit relativ sauberen Händen präsentieren. Aufgrund eines tiefsitzenden Mißtrauens gegen die putschlüsternen Militärs hatte schon Fran?ois Duvalier alias „Papa Doc“ die Armee politisch entmachtet, militärisch geschwächt und eben die Tontons Macoutes zur am besten bewaffneten Truppe aufgebaut.

Vertraut mir und vertraut der Armee in meinen Händen“, verkündete nun am Sonntag General Namphy seiner Fernsehnation. Doch längst ist das Vertrauen verspielt. Zuviel Blut klebt an diesen Händen. Nachdem die Tontons Macoutes ausgeschaltet waren, haben die Militärs oft genug die Rolle des Bluthundes gespielt, um den „Duvalierismus ohne Duvalier“ zu retten.

Eine demokratische Alternative dazu haben sie nie in Erwägung gezogen. Die drei Junta-Mitglieder, die im Januar dieses Jahres die Macht an den nun gestürzten Präsidenten Manigat abgaben, hatten allesamt mit der Duvalier-Diktatur kollaboriert. Manigat, der übrigens schon „Papa Doc“ nach dessen Machtergreifung drei Jahre als Staatssekretär diente, war ihr Wunschkandidat. Die Wahlen, über die er eingesetzt wurde, spotteten jeglicher Vorstellung von Demokratie. Von einem Putsch in Haiti kann deshalb kaum die Rede sein. Es handelt sich um ein Machtgerangel innerhalb der herrschenden Clique, es geht vermutlich um Pfründe womöglich auch aus dem Drogengeschäft. Die übergroße Mehrheit der Haitianer aber steht bei den Ereignissen vom Wochenende abseits. Sie hat im ärmsten Staat Amerikas, wo wirtschaftlicher Ruin, erodierte Böden, Korruption, Nepotismus und Aids jede Aussicht auf eine andere Zukunft versperren, die Hoffnung auf eine politische Änderung längst verloren.

Thomas Schmid

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