: PRINCEPS ODER KAISER
■ Repressive Toleranz im römischen Reich
Dieser junge Mann mit dem Gesicht, als könnte ihn kein Wässerchen trüben, wurde am 23. September 63 v.Chr. geboren, als M.Tullius Cicero gerade Konsul war. Im Alter eines Abiturienten von achtzehn Jahren wurde er 44 v.Chr. jäh auf die Bühne der Weltpolitik gestoßen. Das Testament des ermordeten Caesar machte ihn, seinen Neffen - damals hieß er noch Gaius Octavius - überraschend zum Haupterben. Mit einer erstaunlichen Energie und Geschicklichkeit, durch eine nicht mindere Kaltblütigkeit und Grausamkeit, die vor dem Einsatz von Gewalt genauso wenig zurückschreckte wie vor opportunistischem Seitenwechsel, nicht zuletzt aber auch dank einer Reihe von selbstlosen Helfern, nutzte der Caesarerbe den Namen und die militärische Hinterlassenschaft seines Onkel für den eigenen Aufstieg zur Macht. Dreizehn Jahre nach dessen Tod hatte er es geschafft: 31 v.Chr. war sein letzter Gegner, Marcus Antonius, besiegt.
Der noch immer durch die Schulbücher geisternde Mythos vom „Friedenskaiser“ Augustus konnte nur aufgrund dessen langer Lebensdauer entstehen: Er starb 14. n. Chr., kurz vor Vollendung seines 78sten Lebensjahres. Nachdem Augustus sich die Alleinherrschaft mit Waffengewalt erkämpft hatte, hielt er sich mit neuen außenpolitischen Eroberungszügen weitgehend zurück und bemühte sich statt dessen um die behutsame Ausgestaltung seiner innenpolitischen Machtposition. Als er nach und nach immer mehr Kompetenzen der Staatsführung übernahm, schonte er dabei die alten Führungsschichten und vergewisserte sich stets ihrer Zustimmung, die angesichts ihres gebrochenen Willens leicht zu erringen war.
Nach drei Generationen währenden blutigen Bürgerkriegen mit entsetzlichen Proskriptionsunternehmen war der Wunsch nach Ruhe und Normalität in der Bevölkerung so groß, daß man eine Friedhofsruhe und den neuen Alleinherrscher hinnahm. Sogar in der ehemals regierenden Aristokratie regte sich kaum Widerstand, da Augustus einen Weg fand, sie trotz ihrer Entmachtung ihr Gesicht wahren zu lassen: Er übernahm selbst die wesentlichen Amtsgewalten, während er den römischen nobiles die ausgehöhlten Ämter überließ. Gleichzeitig behauptete er lauthals, die Republik wiederhergestellt zu haben. Den Charakter eines Privatmanns zur Schau tragend, nannte er sich selbst nur „princeps“, d.h. „Erster“. Unter der Parole der res republica restituta installierte er so im Laufe mehrerer Jahrzehnte jene verfassungsmäßig bewußt offengelassene Staatsform, die man den Prinzipat nennt. Ihn als „Kaiser Augustus“ zu titulieren, wie die Ausstellung dies tut, ist deshalb gänzlich verfehlt. Er war nämlich kein rechtmäßiger Kaiser, der sich auf eine bestehende, Legitimation verleihende staatsrechtliche Institution einer Monarchie hätte berufen können. So etwas kannten die Römer jener Zeit nicht; die aristokratische res republica romana hatte ja eben erst mit Caesar ihr Ende gefunden. Augustus war von seinen Anfängen her ein Ursurpator, ein Militärmonarch. Und gerade weil er dies war, war für ihn eine Ideologie, die den illegitimen Beginn seiner Herrschaft vergessen ließ, geradezu lebensnotwendig, wie das Beispiel Caesar gezeigt hatte. Aus dessen Tod die Lehre ziehend, wurde Augustus der erste Herrscher, der in systematischer Weise Münzprägung und Architektur, Kunst und Literatur zur Stabilisierung seiner Position instrumentalisierte. Hattte er bereits in den Jahren seines Aufstiegs auch einen Krieg der Parolen gegen seine Feinde geführt, so ließ er, an die Macht gelangt, um so mehr seinen Zeitgenossen bestimmte Schlagworte einhämmern. Die augusteische Ideologie war in sich durchaus nicht konsequent, sie verkündete vielmehr für jede gesellschaftliche Gruppierung gerade das, was sie hören wollte. Wahrscheinlich war sie deshalb so erfolgreich. So stand etwa der propagierten pax Augusta der Anspruch auf Weltherrschaft und Unterwerfung aller Völker gegenüber. Natürlich darf man nicht der Vorstellung eines modernen Propagandaapparats aufsitzen, eine zuständige zentrale Stelle gab es nicht, und doch ist es beeindruckend, wie umfassend und wie weit sich auch auf Gebrauchsgegenständen des Alltags, Elemente der augusteischen Bildersprache wiederfinden. Beispiele aus den verschiedenen Bereichen, darunter auch außerordentlich schöne und künstlerisch wertvolle Stücke dieser materialisierten Ideologie sind im Gropius-Bau zu sehen.
I.S.
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