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Einladender Kunst-Spaziergang

■ Fünf Jahre hat es geedauert, bis das städtische Kulturreferat Oldenburg die Ausrichtung der 3. Freiplastik-Ausstellung im Oldenburger Schloßgarten erlaubte

Auch wenn der Titel es glauben macht: Die „Fensterburg“ der Bildhauerin Anne Frechen ist wenig märchenhaft. Auf den ersten Blick ist sie kaum mehr als ein Gestell aus vier altehrwürdigen Fensterbögen, von denen der Lack abblättert. Eine zunächst eher unauffällige Konstruktion also, deren Witz im Detail liegt: Schmale Spiegelstreifen sind an den inneren Fensterkanten befestigt, die die Umgebung und die BetracherterInnen bruchstückhaft widerspiegeln. Drinnen und Draußen werden miteinander verquickt, durch das Fehlen von Wänden ist das Raumgeviert fast schon Illusion, und weil es kein Dach gibt, wird auch der Himmel zusätzliches Bindeglied zwischen Phantasie und Wirklichkeit.

Anne Frechen gehört zu den sechs Frauen, die neben fünfzehn männlichen Kollegen auf der dritten Freiplastik-Ausstellung im Oldenburger Schloßgarten ihre Arbeiten zeigen.

Daß mal wieder die Herren in der Überzahl sind, erklärt Hedwig Schumann, Leiterin der städtischen Kulturabteilung und verantwortlich für die Schau, damit,

daß die Werke von Bildhau erinnen selten robust genug seien, die Zeit im Freiengut zu überstehen. Tatsächlich fällt auf, daß die „weiblichen“ Plastiken wesentlich kleiner sind als die der Männer, sparsamer im Raum- und Materialverbrauch.

Das ist aber auch der einzige Unterschied. Fünf Jahre hat es gedauert, bis die Kasse des städtischen Kulturreferate die Ausrichtung dieser dritten Freiplastik-Ausstellung erlaubte und auch nur für 21 statt wie zuvor für 35 KünstlerInnen. Von der Landesregierung kam ein Zuschuß von 20.000 DM, was gerade für die Transportkosten reichte.

Im Gegensatz zu den vorhergehenden Ausstellungen, wurden die Arbeiten nicht juriert, sondern die KünstlerInnen direkt eingeladen. Und nicht die großen Namen waren gefragt, sondern der hoffnungsvolle Künstlernachwuchs aus Bremen und Niedersachsen.

Was da nachwächst, zeigt prägnante Ideen mit Hang zum Konzeptuellen und einer Vorliebe für natürliche Formen und Materialien.

Dadurch fügen sich viele Skulpturen unaufdringlich zwischen Büsche und Bäume ein. Die Stille der Parklandschaft wird zwar gestört, doch geschieht dies durch eher sanfte Kontraste, die einen neuen Blick aufs tägliche Spaziergänger -Grün formen.

So durch die Arbeit von Wulf Kirschner, der ähnliches im letzten Jahr in der Weserburg unter den Barkenhoff -Stipendiaten präsentierte: Reihe um Reihe hat er auf rostigen Stahlplatten winzige Wellen eingeschweißt, deren Farbe sich in den Rhododendron-Büschen ringsherum wiederholt. Ähnlich hatte das schmale Terrekotta-Tor von Rita Bieler gelbe Blüten zum Leuchten gebracht. Fast eins mit der Natur ist die Skulptur von Reinhard Buxel: seine drei Sandsteine scheinen aus der Erde herauszuwachsen und den bildhauerischen Eingriff kaum zu spüren. Schade nur, daß sie nicht direkt auf dem Rasen stehen, sondern ihnen, aus welchen praktischen Gründen auch immer, eine störende graue Betonplatte untergeschoben wurde.

Das Spiel der Balance, der einander bedrohenden Kräfte, be

herrschen Hawoli und Peter Kärst. Kippende Stämme verknüpft Hawoli durch ein Drahtseil mit einem Felsen, eine Skulptur, so ästhetisch wie raumsprengend. Wesentlich massiver dagegen die stürzenden Eisenplatten von Kärst, die er mit einer gewaltigen Kugel verbindet. Unbeweg

lich Schwergewichtiges wird labil und unsicher.

Die Ausstellung ist großzügig im Park verteilt, die einzelnen Wegstrecken lassen genügend Zeit, die Wirkung der einzelnen Skulpturen zu überdenken oder von der nächsten überrascht zu werden. Oder erschreckt, wie durch die Drahtkäfige von Denis Stuart Rose. Die unerwartete Drastik der Arbeit läßt erst spät erkennen, daß die eingesperrten Menschen auch einen Akt der Befreiung demonstrieren. Zwischen all den form- und materialbeschwörenden Abstraktionen, ist diese Arbeit ebenso eindringlich wie die „Luft„-Skulptur von Hans-Jürgen Breuste kritisch: so häßlich wie die Luftverschmutzung, an die sie erinnert, ist sie ein unübersehbares Mahnmal.

Einen Akzent von Witz und Originalität bringen die Baummenschen von Ulrike Enders: drei Häute schmiegen sichum einen Stamm, halb Baum, halb Mensch.

Beate Naß

Bis 14.8. im Oldenburger Schloßgarten, Oldenburg, Gartenstraße

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