: Harte Gangart gegen „Kritische Aktionäre“
Chef des Bayer-Konzerns will sich „Beleidigungen und Diffamierungen“ durch Kritiker nicht länger gefallen lassen / Hauptversammlung des Chemiegiganten mit Beteiligung von 9.000 Aktionären in Köln ■ Aus Köln J. Nitschmann
Eine härtere Gangart gegenüber den „Kritischen Aktionären“ des Bayer-Konzerns hat der Vorstandschef des Chemie -Konzerns, Herrmann Josef Strenger, angekündigt.
Auf der Hauptversammlung der Bayer-AG erklärte Strenger am Mittwoch vor der Rekord-Kulisse von über 9.000 Aktionären in Köln, das Unternehmen werde sich künftig gegen „die Beleidigungen und Diffamierungen“ durch seine Kritiker mit allen juristischen Mitteln zur Wehr setzen. Bisher habe Bayer auch die schlimmsten Vorwürfe mit großer Geduld hingenommen. „Aber es gibt Grenzen der Toleranzbereitschaft. Wir werden es nicht weiter zulassen, daß unsere Mitarbeiter in der Öffentlichkeit als Kriminelle hingestellt werden“, rief Bayer-Chef Strenger unter dem Beifall der Aktionäre aus.
Langanhaltender Applaus brandete in den überfüllten Kölner Messehallen erneut auf, als der Vorstandsvorsitzende des Chemie-Multis den Antrag der „Kritischen Aktionäre“ entschieden ablehnte, die Zahlung der geplanten Dividende von 11 auf 3 Mark zu kürzen, um mit diesem Geld die von Bayer verursachten Umweltschäden zu bekämpfen. Strenger sagte, der Konzern werde in den kommenden acht Jahren insgesamt 3 Mrd. Mark für Umweltschutz investieren. Diese Ausgaben brächten ihn an den Rand seiner internationalen Konkurrenzfähigkeit. Für den ökologischen Zusammenbruch der Nordsee machte der Bayer-Chef den wachsenden Widerstand gegen Verbrennungsanlagen für Sondermüll verantwortlich. Nur eine ausreichende Zahl von Müllverbrennungsanlagen ermögliche es, die Verbrennung chlorierter Kohlenwasserstoffe auf See ganz einzustellen, sagte Strenger. Nach seinen Angaben sind die bundesdeutschen Bayer -Werke bereits seit 1982 an der Dünnsäure-Verklappung in der Nordsee nicht mehr beteiligt. 1989 soll auch die Dünnsäure -Verklappung des Bayer-Werkes Antwerpen eingestellt werden.
Im Gegensatz zu den „Kritischen Aktionären“ verlangten die Sprecher der sogenannten Kleinaktionäre für das laufende Jahr eine weitere Erhöhung der Dividende auf mindestens 12,50 DM pro 50-Mark-Aktie. Die Gewinne des Bayer-Konzerns stiegen 1987 weltweit um 14 Prozent auf 1,544 Mrd. Mark; bundesweit steigerte die Bayer-AG ihren Reingewinn immerhin noch um 7 Prozent auf 895 Mio. Mark, wovon die Aktien -Gesellschaft 680 Mio. Mark an seine Aktionäre ausschüttet die bislang höchste Ausschüttung in der 125jährigen Unternehmensgeschichte und die größte Dividendensumme, die in der BRD von einer Publikumsgesellschaft überhaupt ausgezahlt wird.
Die rund 60 Gegenanträge der „Kritischen Aktionäre“, die sich insbesondere mit einer verstärkten und vorsorgenden Umweltpolitik dieses prächtig verdienenden Chemie-Multis befaßten, wies Bayer-Vorstandschef Strenger auf der Hauptversammlung allesamt als „Horrorbilder, Falschdarstellungen und dreiste Verleumdungen“ zurück. Immerhin mußte der Bayer-Chef einige der in den Anträgen angeprangerten „Störfälle“ ebenso einräumen wie die Tatsache, daß es bei der Herstellung von Gerinnungsprodukten in den USA zu AIDS-Übertragungen gekommen sei. Inzwischen sei das Herstellungsverfahren bei Bayer geändert worden.
Eine der SprecherInnen der in der „Koordination gegen Bayer -Gefahren“ zusammengeschlossenen „Kritischen Aktionäre“, die Solinger Pastorin Friedel Geisler, sagte, sie habe keinerlei Vertrauen mehr in die Glaubwürdigkeit dieses Unternehmensvorstandes. Sie warf dem Konzern konkret vor, weltweit eine „aggressive Werbung“ für die Anwendung von Pestiziden zu betreiben, ohne dabei auf die Vergiftungsgefahren hinzuweisen.
Die für die ev. Kirche in der Entwicklungshilfe tätige Pastorin erklärte, der Chemie-Konzern behauptet zwar ständig, er setze in der Dritten Welt über 1.000 Berater für den sachgemäßen Einsatz seiner Präparate ein. Sie selbst habe bei ihren Einsätzen in den Entwicklungsländern deutsche Bayer-Berater jedoch noch nie angetroffen: „Sind ihre Berater tätig, wenn aus der BRD tonnenweise überalterte Bayer-Medikamente in Mexico ankommen und unter der Bevölkerung verteilt werden? In welchen Ländern fungieren ausgebildete Landwirte nach dem Verkauf ihrer Präparate als Berater?“ fragte Frau Geisler den Bayer-Vorstand. Die „Kritischen Aktionäre“ forderten die Konzernführung auf, ihre Forschungspolitik so auszurichten, daß „ein ökologisches Gleichgewicht wiederhergestellt wird und die Naturschäden mehrheitlich durch Selbstregulation verhindert werden“.
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