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'MoPo‘ soll zahlen

■ Ullsteinverlag zur Zahlung von Schmerzensgeld wegen vorverurteilender Berichterstattung verurteilt

Wegen vorverurteilender Berichterstattung der 'Berliner Morgenpost‘ soll der Ullsteinverlag 3.000 Mark Schmerzensgeld an einen 41jährigen Moabiter Staatsanwalt zahlen. Zu dieser Entscheidung kam gestern eine Zivilkammer des Landgerichts. Der Staatsanwalt, Thomas S., hatte den Ullsteinverlag auf 10.000 Mark Schmerzensgeld verklagt, weil er in mehreren Artikeln der 'Morgenpost‘ als Sprayer von Anti-Atomkraft- und Anarchoparolen bezeichnet worden war.

Thomas S. hatte eine Beteilung an der Spühaktion - im Mai 1986 am S-Bahnhof Schlachtensee - stets bestritten, und war im Dezember vergangenen Jahres rechtskräftig freigesprochen worden.

Das damalige Ermittlungsverfahren gegen den Staatsanwalt war von der 'Morgenpost‘ mit einer reißerischen Berichterstattung begleitet worden.

Unter voller Namensnennung und Feststellungen wie, „dem Staatsanwalt konnte nachgewiesen werden, an nächtlichen Schmierereien teilgenommen zu haben“ hatte die 'Morgenpost‘ jedem neuen Stand des Ermittlungsverfahrens aufwendige Artikel gewidmet.

Die Richter hielten die Namensnennung des Staatsanwalts gestern zwar für zulässig, bezeichneten die Vorverurteilung aber als eine schwere schuldhafte Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Der beantrangten Schmerzensgeldsumme von mindestens 10.000 Mark folgte das Gericht jedoch nicht, weil der Staatsanwalt eine gewisse Mitschuld auf sich geladen habe, indem er nicht schon früher mit Unterlassungsklagen gegen die Veröffentlichungen vorgegangen sei. Thomas S. hatte seine Untätigkeit gegenüber der 'MoPo‘ damit erklärt, daß ihm vom Generalstaatsanwalt geraten worden sei, „die Füße still zu halten“.

Über die Klage gegen den 'MoPo'-Journalisten, der die Mehrzahl der Artikel verfaßte hatte, wurde gestern noch nicht befunden. Das Gericht will bis zum September prüfen, inwieweit er die in Rede stehenden vorverurteilenden Textstellen zu verantworten hat.

plu

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