: Ein Referendum für Neu-Kaledonien
Premierminister Rocard hat das erste Vorhaben seiner Amtszeit erfolgreich abgeschlossen: Vereinbarung mit den streitenden Parteien Neu-Kaledoniens über eine Volksabstimmung ■ Aus Paris Georg Blume
Michel Rocard hatte die bisherigen Zwischenlösungen auf der französischen Pazifik-Kolonie Neu-Kaledonien satt. Weder mit dem Mehrheitsvotum der französischen Siedler noch mit dem Minderheitsvotum der einheimischen Kanaken war auf der Insel auf Dauer Frieden zu schaffen. Nun hat Premierminister Rocard einen neuen Richter über Neu-Kaledonien berufen: das gesamte französische Volk.
Vermutlich noch in diesem Jahr soll Frankreich in einer Volksabstimmung über die institutionelle Teilung Neu -Kaledoniens abstimmen. Dieses überraschende Ergebnis geht aus einer Vereinbarung hervor, die Rocard gemeinsam mit dem Führer der kanakischen Befreiungsfront (FLNKS), Jean Marie Tjibaou, und dem Parteichef der neu-kaledonischen Gaullisten (RPCR), Jacques Lafleur, am Sonntag nach 14tägigen Verhandlungen in Paris unterzeichnete. Die letzten Einzelheiten waren noch in der Nacht zum Sonntag in einer Marathonsitzung besprochen worden. Rocards erstes Regierungsvorhaben, die noch vor kurzem bürgerkriegsähnliche Situation auf Neu-Kaledonien zu beenden und den Dialog vor Ort wiederaufzunehmen, ist damit nach erstaunlich kurzer Zeit bereits von Erfolg gekrönt.
Die Vereinbarung sieht vor, daß das von der Rechtsregierung im letzten Jahr eingeführte Inselstatut, das den frankreichtreuen Siedlern praktisch alle Exekutivmacht auf Neu-Kaledonien sicherte, mit sofortiger Wirkung aufgehoben ist. Während der nächsten zwölf Monate wird alle Regierungsgewalt einem von Paris bestimmten Hoch-Kommissar übergeben werden. In dieser Übergangsphase soll die Volksabstimmung über Neu-Kaledoniens Zukunft entscheiden. Rocard will im Herbst einen Referendums-Entwurf erarbeiten, den er dann Staatspräsident Mitterrand vorlegen wird. Nach der französischen Verfassung ist Mitterrand ermächtigt, eine Volksabstimmung auszurufen. Wichtigstes Vorhaben ist die Teilung Neu-Kaledoniens in drei unabhängig verwaltete Regionen, von denen voraussichtlich zwei (Iles Loyaut'e, Nord-Region) unter den Einfluß der Kanaken fallen würden. Erst nach zehn Jahren sollen die Einwohner Neu-Kaledoniens dann endgültig über die Unabhängigkeit der Insel abstimmen.
FLNKS-Führer Tjibaou bezeichnete das Abkommen als „bedeutenden Schritt“, betonte aber, daß „das Problem der Unabhängigkeit noch nicht geregelt ist und die Forderung der Kanaken nach Unabhängigkeit fortbesteht“. Er würdigte darüberhinaus die Dialogbereitschaft des neogaullistischen Abgeordneten Lafleur. Sowohl Tjibaou als auch Lafleur müssen jetzt noch die Zustimmung ihrer jeweiligen Basis einholen. Rocard unterstrich, daß Staatssubventionen in Zukunft vorzugsweise den unterentwickelten Kanaken-Regionen zugute kommen würden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen