Boris ein Mensch wie du und ich?

■ Wimbledon: Heute Halbfinals Becker-Lendl und Mecir-Edberg / Bei den Frauen setzt sich das Alter durch

Berlin (taz) - Die trostreiche Meldung hatten die beiden Korrespondenten von dpa ganz ans Ende gestellt: „Im dritten Satz aber zeigte Becker, daß auch er nur ein Mensch ist, der Fehler wie andere macht.“ Bis zu diesem ernüchternden Moment hatte das Spiel des 20jährigen Leimeners durchaus rauschhafte Wirkung auf die Berichterstatter, sorgte bei diesen für Hirn- und Schreibschwurbel.

Sein Match gegen den Vorjahressieger Pat Cash geriet zum „Duell der Giganten“, in welchem der Australier „regelrecht gedemütigt“ wurde. Boris Becker zeigte „eine gewaltige Leistung“, „packte im entscheidenden Moment zu“ und „Cash war geschockt“. Später war diesem „eher zum Weinen zumute“, ein Break „eine Blamage für den Australier“, ein anderes „schon das ganze Vergnügen für Cash an diesem Nachmittag, an dem nur für Becker die Sonne lachte“. Zwei Becker-Asse trafen Cash wie eine „psychische Keule“.

Die nackten Zahlen dieses Viertelfinales: 6:4, 6:3, 6:4 gewann der Becker und gab damit als bislang einziger Spieler im diesjährigen Turnier noch keinen Satz ab (Steffi Graf schaffte dieses Kunststück bei den Frauen). Schon vorher, nach dem Erfolg beim Vorbereitungsturnier in Queen's (London), das ebenfalls auf Rasen gespielt wird, hatte Becker seine Anwartschaft auf den Wimbledon-Titel mit dem geradezu staatsmännischen Satz „Ich bin bereit“ unterstrichen. Nach dem Cash-Match war er selbst überzeugt: „Ich spielte das beste Tennis meines Lebens.“

Beim heutigen Halbfinale trifft er auf Ivan Lendl, der sich schwer über die Runden schleppen mußte und beim Fünfsatzsieg gegen den Australier Woodforde sogar einen Matchball abzuwehren hatte; „eine Vorstellung, die bewiesen hat, daß er für den Titel sterben würde“ (Daily Mirror). Schon 1986 und '87 war Lendl im Finale, mußte dort aber Becker und Cash den Vortritt lassen. Die Tennispsychologin Mathilde Hirsch -Wurz wollte beim Weltranglisten-Ersten deshalb eine „wahnhafte Fixierung“ auf den Wimbledon-Titel ausmachen, die zu „intramuskulärer Verspannung“ bei gleichzeitiger „geistiger Leere“ führe.

Im anderen Halbfinale spielen Stefan Edberg und Miloslav Mecir. Edberg hatte beim 6:3, 4:6, 6:1, 7:6 den Mannheimer Patrick Kühnen gestoppt, der zur großen Überraschung zuvor Altmeister Jimmy Connors in fünf Sätzen (bislang war das hier nur Björn Borg gelungen) aus dem Rennen warf. Ein Umstand, der diesem gar nicht gefiel und zu der Vermutung trieb, „es wird nur besser, wenn ich auf diesen Platz pinkle“. Was er dann doch unterließ. Kühnen aber, der bisher wie ein Freizeitspieler auf dem Platz herumlief und nicht wie eine Litfaßsäule, wird von seinem Manager Tiriac nun endlich mit den erhofften Werbestickern beklebt werden können.

Als Schreck aller schwedischen Tennisspieler erwies sich einmal mehr Miloslav Mecir: Der Tschechoslowake, der seit April wegen eine Verletzung nicht mehr gespielt hatte, gestattete Mats Wilander beim 6:3, 6:1, 6:3 nicht viel und nahm diesem damit die Chance, nach seinen Erfolgen in Melbourne und Paris den „Grand Slam“ zu gewinnen, wozu weitere Siege in Wimbledon und bei den US-Open nötig gewesen wären.

Ein Jungbrunnen ist der englische Rasen offenbar für die Tennisspielerinnen. In Paris war Steffi Graf mit ihren 19 Jahren im Halbfinale die Seniorin, in Wimbledon dagegen die Jüngste unter den letzten acht. So kam es gestern (nach Redaktionsschluß) zum Aufeinandertreffen der beiden, die während der vergangenen zehn Jahre das Frauentennis dominierten: Martina Navratilova (die nur mit Mühe gegen Rosalyn Fairbanks/Südafrika weiterkam) und Chris Evert (6:3, 7:6 gegen Helena Sukova).

Eine Neuauflage von 1987 bedeutet das Match zwischen Pam Shriver und Steffi Graf. 6:0, 6:2 hatte die Deutsche damals gegen die Amerikanerin gewonnen, was dieser zumindest eine Sicherheit mit in die Partie gibt: „Schlechter kann ich nicht spielen.“

Thömmes