: Wieviel bekommt Ernst Albrecht?
Heute entscheiden die Vorsitzenden der Koalitionsparteien über die finanzielle Entlastung der „armen“ Bundesländer / Für die nächsten zehn Jahre insgesamt über 30 Milliarden verlangt ■ Aus Hannover Jürgen Voges
Eine Entscheidung zugunsten Ernst Albrechts oder „zumindest einen wesentlichen Schritt vorwärts“ erwartet die Staatskanzlei in Hannover von der heutigen Bonner „Elefantenrunde“, bei der die Vorsitzenden von CDU, FDP und vor allem CSU über Albrechts Gesetzentwurf „Zur Förderung von Investitionen in finanzschwachen Ländern“ zu entscheiden haben. Der 8. Juli, der Tag, an dem über die Steuerreform im Bundesrat entschieden wird, sei das entscheidende Datum, läßt Ernst Albrecht nun schon seit Monaten erklären. Bis dahin müßten seine Entlastungspläne unter Dach und Fach sein. Doch der Sprecher der Staatskanzlei verbreitet zur Zeit nur noch gedämpften Optimismus: „Am kommenden Montag müssen auch die Vorstände der Bonner Koalitionsfraktionen über Albrechts Initiavtive entscheiden“, sagt er, und bei diesen Sitzungen hätten alle interessierten Abgeordneten Zutritt.
Ernst Albrecht hat ja inzwischen schon seinen zweiten Plan in Bonn vorgelegt. Dieser zweite Plan liegt Helmut Kohl seit 14 Tagen auf dem Tisch. Für die Kassen des Landes Niedersachsen würde diese „Strukturhilfe“ mit rund 790 Millionen Mark jährlich sogar noch etwas mehr einbringen als Albrechts ursprünglicher Vorschlag, bei dem der Bund 50 Prozent der Sozialhilfekosten übernehmen sollte, was rund 700 Millionen gebracht hätte. Der neue Gesetzentwurf soll die Bundeskasse dennoch nicht mehr mit fünf, sondern nur noch mit drei Milliarden Mark jährlich belasten. Diese Entlastung um zwei Milliarden möchte Albrecht mit einem neu ausgearbeiteten Verteilungsschlüssel erreichen. Danach wären die reichen Länder Bayern, Hessen und Baden-Württemberg von vornherein von den für einen Zeitraum von zehn Jahren vorgesehenen Bundeshilfen ausgeschlossen, da diese nur an Länder mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit und unterdurchschnittlichen Steueraufkommen vergeben werden sollen. Bei der Verteilung der Strukturhilfen an die übrigen Länder sollen Einwohnerzahl, Zahl der Arbeitslosen und Steueraufkommen als gleichgewichtige Kriterien gelten. Mit diesem Verteilungschlüssel würde Nordrhein-Westfalen nur noch etwas mehr als eine Milliarde Mark DM erhalten; nach dem ersten Albrechtschen Sozialhilfe-Plan wären es 1,6 Milliarden gewesen. In seinen jetzigen Gesetzentwurf hat der niedersächsische Ministerpräsident auch noch die Forderung einer jährlichen Steigerung der Strukturhilfen um 2,5 Prozent hineingeschrieben, und die verlangt, daß diese nicht an Projekte gebunden werden dürften, um so tatsächlich den armen Bundesländern zur Haushaltsentlastung zur Verfügung stehen.
Der Ministerpräsident soll seinen zweiten Plan dem Bundeskanzler mit der Bemerkung übergeben haben, innerhalb der CDU sei dieser Vorschlag inzwischen durchgesetzt, ihn auch gegenüber Franz-Josef Strauß durchzusetzen, das sei nun Aufgabe Kohls. In der Tat wollen wohl zumindest die Christdemokraten ihren einstigen Hoffnungsträger Albrecht nicht gänzlich im Regen stehen lassen. Zwar protestierte inzwischen der hessische Finanzminister gegen den zweiten Albrecht-Plan, und in Rheinland-Pfalz meldete sich der FDP -Vorsitzende Rainer Brüderle mit der Vermutung zu Wort, Albrecht wolle durch spektakuläre Forderungen nur von seinen Verstrickungen in die Spielbankaffäre ablenken. Doch schon tags darauf erklärte die Landesregierung in Mainz, sie wolle Albrecht doch unterstützen. Und aus Stuttgart war zu hören, daß der zweite Vorschlag von Albrecht praktisch der Idee des Baden-Württembergischen Ministerpräsidenten Späth über die Errichtung eines Strukturfonds entspreche. Nun wird die Zahl der Millionen, die Niedersachsen letztlich erhalten wird, über Erfolg oder Mißerfolg des ohnehin gebeutelten niedersächsischen Ministerpräsidenten entscheiden. Über die Verhandlungen, die Kohl, Stoltenberg und Albrecht am Mittwoch abend über die Finanzierung der Strukturhilfen führten, hat man denn auch erstmal Stillschweigen vereinbart.
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