Ein zufriedener, aber beleidigter Feldherr

■ Nach der Räumung: Kewenig zieht Bilanz / Honni sei kein anständiger Geschäftsmann, weil er die „Straftäter“ über die Mauer entwischen ließ

900 Polizisten haben am Freitag morgen die über fünfwöchige Besetzung des Kubat-Dreiecks an der Mauer beendet. Rund 200 BesetzerInnen entzogen sich mit einem Sprung über die Mauer dem Zugriff der Polizisten. Ost-Berliner Grenzposten erleichterten den BesetzerInnen den Sprung über die Mauer. Etwa zwei Stunden später wurden sie wieder abgeschoben. (Siehe auch Seite 1, 3, 4 und 32)

Restlos zufrieden mit dem „Ende der Affäre“ um da Kubat Dreieck mochte sich Innensenator Kewenig (CDU) gestern vor der Presse nicht zeigen. In die sichtbare Freude über die Räumung mischte sich unverhohlene Wut darüber, daß BewohnerInnen und DDR dem Feldherrn ein Schnippchen geschlagen haben.

Durch die sorgfältige Vorbereitung der Polizei sei es nicht zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen. Diejenigen, „die auf Gewalt aus waren, hatten eingesehen, sie können nicht gewinnen“, sprach der siegreiche Feldherr, voller Freude über den „absolut ruhigen und problemlosen Einsatz“.

Es sei „keine Idylle mit Hühnern, Kindern und Ziegen“, die da zerstört worden ist. 128 Strafanzeigen in den letzten Wochen gegen BesetzerInnen, darunter 34 gegen namentlich Bekannte und 21 Mehrfachtäter - das reicht, oder? Wen es nicht beeindruckt, den fragt Kewenig: „Warum wählten die den Weg über die Mauer?“ Nicht wegen eines „zusätzlichen Gags oder um die Polizei und den Senat in ein schlechtes Licht zu rücken“. Nein, die „einzige Begründung“, so Kewenig: „Die wollten sich der Identifizierung entziehen. Das tut man nicht, wenn man nur Naturschützer ist“.

Daß die DDR sich von einer ungewohnt sympathischen Seite zeigte, erschien Kewenig ebenso unbegreiflich wie unerträglich. Überhaupt findet Kewenig die Staatsorgane jenseits der Grenze ziemlich gemein: sie hätten „in den vergangenen Wochen auf mehrere Vorschläge des Senats zur Lösung des Besetzerproblems nicht reagiert“. Ohne Antwort blieb angeblich die Bitte des Senats, ihm vorzeitig die Hoheitsrechte über das Gelände zu übertragen oder wenigstens das Dreieck zu räumen. Nun muß Honnecker sich gefallen lassen, daß Herr Kewenig ihn nicht mehr für einen „anständigen Geschäftsmann hält“ - der putzt ein verkauftes Areal vor der Übergabe mit der Zahnbürste, meint Kewenig, der auch ziemlich stinkig über die DDR ist, weil sie ihren Zaun am Dreieck abgeräumt hat - „das ist wohl der Zaunknappheit in der DDR geschuldet“.

Einen 20jähriger Mann, der gestern beim Verlassen des Kubat -Dreiecks festgenommen worden war, wurde dem Haftrichter vorgeführt. Er steht im Verdacht, am 17.6. Steine auf Polizeibeamte geworfen zu haben. Nach Angaben seines Anwalts wurde gegen den Beschuldigten Haftbefehl wegen schweren Landfriedensbruchs und schweren Widerstands erlassen, er habe jedoch Haftverschonung bekommen. Nach Erkenntnissen der taz erfolgte die Identifizierung des 20jährigen bei der Personalienfeststellung am Brandenburger Tor aufgrund von polizeilichem Fotomaterial aus der Besetzungszeit. Somit könnte die vollständige Auswertung des polizeilichen Filmmaterials weitere Ermittlungsverfahren nach sich ziehen.

Daß diversen Personen bei der Personalienüberprüfung verboten wurde, den Bezirk Tiergarten für die kommenden 24 Stunden zu betreten, wurde von Landespolizeidirektor Kittlaus dementiert. Der taz sind jedoch fünf Fälle bekannt. Ein 21jähriger, der das Gelände erst nach der Räumung verlassen hatte und aufgrund dessen erkennungsdienstlich behandelt wurde, berichtete sogar von einem zeitlich unbefristeten Verbot.

Über die Anzahl der gestern in U- und S-Bahn getätigten Personenüberprüfungen im Zusammenhang mit den MauerspringerInnen lagen gestern noch keine genauen Angaben vor. Kittlaus zufolge waren es gestern mittag dreizehn. Einer von ihnen ist ein 13jähriger Junge, der der jüngste Kubat-Besetzer war. Der Trebegänger, der vier Wochen auf dem Platz gewohnt hatte, wurde am Bahnhof Kochstraße aus dem Zug geholt und nach mehrstündigem Festhalten auf der Wache zurück ins Heim gebracht.

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