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■ ZWISCHEN DEN RILLENThe Style Council stirbt nicht

Viele hatten the Style Council schon für tot erklärt. Kleingeister! Diese Gruppe kann sich gar nicht auflösen. Weil da nämlich zwei Schönheitsanbeter auf ewig zueinander gefunden haben. Männer, die ihren Weg gehen müssen um eines Tages am Ende des Regenbogens prachtvoll zu verglühen.

Und mit der neuen LP „Confessions Of A Pop Group“ haben sie es schon beinahe geschafft. Ein hochkarätiges Musizieren in ganz toll aufgeräumter Atmosphäre, Geigen dabei, mächtig philharmonisch. „The Piano Paintings“ ist die erste Seite überschrieben, was Understatement ist, denn Mick Talbot, dieser blitzpropere Junge im Beckenbauer-Konfirmanden-Dress sitzt an einem riesenhaften Flügel. Daneben der kleine Paul Weller, ganz Working Class-Dandy mit Schlips, College –Slippern und blondiertem Haupthaar. Die Gitarre spielt er nur noch hinter den Kulissen, wie er überhaupt alles, was an ROCK erinnern könnte, konsequent aus dem Outfit verbannt hat. Ach ja, Dee. C. Lee ist in einer Nebenrolle auch noch dabei. Als schwarzes Adoptivkind rundet sie das Familienidyll ab und singt obendrein noch gelegentlich.

Auf der „Piano Paintings“-Seite haben Weller/Talbot sich kreativ wirklich voll ausgelebt. Nach dem Eröffnungsstück gleich der erste Höhepunkt: „The Story Of Someone's Shoe“, eine dramatische Beziehungsballade. Weller wird begleitet von den Swingle Singers, die im Hintergrund kapriziös „dubidub“ und „dadadab“ machen (wie in dem deutschen Schlager „Mein Herz macht dabadabadab“). Gleich danach „Changing Of The Guard“, ein Walzertraum. Um zu verstehen, was dann kommt, muß man wissen, daß Weller der ist, der im Lebensbund das Sagen hat. Talbot kann als wackerer Tastenknecht pro Platte immer nur ein oder zwei seiner Instrumentals durchdrücken. In die muß er dann alles reinpacken, was er gerade geübt hat. Diesmal sind ihm Mazurkenschnörkel und perlende Akkordkaskaden zu einer Art Hausmacherklassik geronnen, in der er unbekümmert um die Welt der Köchelverzeichnisse herumrührt, um Gefühlswerte abzustauben, wo es nur geht. Reinster und schönster Kitsch, den zusätzlich adelt, daß Mick Talbot keinen Moment lang Zweifel am tiefen inneren Ernst seines Kunstwollens aufkommen läßt. Es liegt schon im Titel: „The Little Boy In A Castle/A Dove Flew Down From The Elefant“.

Als würde nun aber Weller seinem Partner diesen schönen Erfolg mißgönnen, zieht er gleich bombastisch nach mit „The Gardener Of Eden“, einer dreiteiligen Suite. Wellenrauschen, Grillenzirpen, dann allen Ernstes eine HARFE. Erzählt wird die Geschichte vom Ende des Paradieses. Die Menschen haben nur Ödnis hinterlassen und sind gerade dabei, sich besinnungslos in den Abgrund zu stürzen, musikalisch umgesetzt in ein wildes Getümmel von Geigen, Pauken, Trompeten und einer apokalyptischen Hammond-Orgel, das plötzlich in furchtbarer Stille endet.

Verständlich, daß die zweite Seite dagegen erstmal abfällt. Man besinnt sich auf sein Dasein als Pop-Gruppe und bringt rhythmische Sozialkritik mit Drive: „Life At A Top People's Health Farm“, ein Schlag ins Gesicht der Herrschenden. Erst zum Schluß wieder eine Steigerung mit den beiden titelgebenden Bekenntnisstücken „Confessions 1, 2 und 3“ und „Confessions Of A Pop Group“. Ebenfalls Sozialkritik, aber vermächtnisartig, ins Grundsätzliche gewendet. Die Rhythmusmaschine geißelt den Funk-Bass, Nabucco-Chöre stimmen klagend ein, dazwischen immer wieder Paul Wellers hochengagierte, ins Überkonfessionelle kippende Stimme. WIR ALLE sind angesprochen, ein aufrüttelndes und komplettes soziales Drama in 10 Minuten.

Wie gesagt, The Style Council sind so, sie können nicht anders. Umkehr oder Neuanfang ist ihnen unmöglich, ihre Produkte folgen dem unerbittlichen Räderwerk dessen, was sie unter „Stil“ verstehen. Und das Rührendste: Im Herzen dieses ganzen Quatschs sind sie die lautersten Menschen, die man sich denken kann. Ich bin ein großer Fan von ihnen.

Thomas Groß

The Style Council: Confessions of a Pop Group (Polydor)

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