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„Je weniger einer verdient, desto mehr zahlt er“

Banken und Versicherungen schröpfen geschickt ihre Kleinkunden mit immer raffinierteren Methoden / Hohe Konsumentenkredite steigern die Profite der Banken / Hamburger Forschungsinstitut kämpft mit wachsendem Erfolg gegen die unsaubere Geschäftsmethoden / Computergestütztes Rechtsberatungssystem soll helfen  ■  Aus Hamburg Florian Marten

„Schon eine einzige Bankfiliale beschäftigt mehr Menschen, als bundesweit im Verbraucherschutz bei Finanzdienstleistungen tätig sind“ - der Jurist und Professor Udo Reifner, ehrenamtlicher Mentor des Hamburger Instituts für Finanzdienstleistungen, soziale Diskriminierung und Verbraucherschutz, kurz IFF, kokettiert selbstbewußt mit der David-Rolle „seines“ siebenköpfigen Instituts im Kampf mit Banken und Versicherungen. 1986 gegründet, kann das junge, bundesweit einmalige Institut bereits auf eine Reihe beachtlicher Erfolge zurückblicken. Bestgehaßt in Banken- und Versicherungskreisen führte die akribische Beschäftigung mit den Praktiken bei Ratenkrediten, Kontoführungsgebühren, der Verkoppelung von Krediten und Versicherungen, kurz, dem ganzen Dschungel der sogenannten „Finanzdienstleistungen“, zu fortschrittlichen Gerichtsurteilen und gut informierten Verbraucherzentralen im Banken- und Versicherungssektor. Gleichwohl gilt laut Udo Reifner noch immer: „Je weniger einer verdient, desto mehr muß er für die gleiche Leistung zahlen.“ Ob Kontoführungsgebühren, Kreditkosten oder Versicherung - die Armen haben die schlechtesten Konditionen.

Für das IFF sind „Banken und Versicherungen zum zentralen Verteilungs- und Kommunikationsmittel unserer Gesellschaft“ geworden. Und: „Das Monopol über Information und Geld gibt den großen Banken und Versicherungen eine soziale Macht, die für die einen Inbegriff kafkaesker Maschinerie, für andere Motor unserer Wirtschaft ist.“ Mit den über die Datenverarbeitung beliebig aufbereiteten Informationen über Vermögensverhältnisse, Konsumgewohnheiten und Kontenbewegungen verfügen die Banken über Instrumente, mit deren Hilfe sie ihre Geschäftsmethoden zunehmend verfeinern und auf besondere Zielgruppen abstellen.

Besonders beliebt: die immer undurchschaubarere Mischung von Anlageberatung, Vermögensverwaltung, Versicherung und Kredit in sogenannten Finanzdienstleistungspaketen. Daß Banken Kleinkunden als risikoträchtiges Übel darstellen, gegen das man sich mit schlechten Konditionen absichern müsse, wertet Udo Reifner als pure Propaganda. So sei unter den drei zentralen Kreditsparten der Banken, dem Kommunalkredit, dem Betriebskredit und dem Konsumentenkredit letztere mit Abstand die lukrativste Sparte. Bei einem Gesamtvolumen von 700 Milliarden Mark (500 Milliarden als Hypotheken, 200 Milliarden als Konsumentenkredit) zeichne sich der Kredit an den Endverbraucher durch extrem hohe Gewinnspannen und durch ganz geringe Ausfälle der Bankenforderungen aus. Nicht zufällig weist die Sparte „Konsumentenkredit“ seit einigen Jahren fast regelmäßig zweistellige Steigerungsraten auf.

Während sich der wohlhabende Teil der Bevölkerung mit Steuer- und Anlageberater, Rechtsanwalt und eigener Ausbildung noch fit halten kann für die Auseinandersetzung mit den Banken, stehen die normalen Kleinkunden den Tricks der Banken meist hilfs- und ahnungslos gegenüber. Ein Beispiel: Während 1980 das Zinsniveau bei Ratenkrediten und Kleinkrediten bei etwas über acht Prozent lag, explodierten die Sätze 1981 auf bis zu 16 Prozent. Für die Banken, die 1980 Geld zu festen Zinssätzen ausgeliehen hatten, drohten so 1981 Verluste. Laut Udo Reifner gelang es jedoch 1981 der Deutschen Bank, rund 50 Prozent ihrer Konsumentenkredite umzuschulden, d.h. billige in teure Kredite zu verwandeln. Nach Reifners Einschätzung sind „alle 81er Umschuldungen sittenwidrig“, also rechtlich nichtig.

Die Strategie der Banken gegenüber ihren Kleinkunden führe, so das IFF, zur „Feudalisierung der Wirtschaftsbürger“, zu einer feinen Abstufung der Kunden nach ihrem Reichtum und ihrer Informiertheit. Die Konsequenzen für die Kleinkunden:

-Teilzahlungsbanken verlangen bis zum Dreifachen des normalen Zinssatzes für Kredite an bereits verschuldete Verbraucher;

-die Banken ziehen gern Familienangehörige zur Schuldendeckung heran, eine Art moderner Sippenhaft (besonders betroffen: mit Kind alleingelassene Frauen, die ihren Unterhalt nicht bekommen, die alten Familienschulden aber bezahlen sollen);

-flächendeckende Informationssysteme wie die Schufa führen zur datenmäßigen Diskriminierung der Verbraucher, zu schwarzen Listen, denen man kaum entkommen kann;

-die neuen Kreditkartensysteme erlauben den Ausgabestellen eine soziale Differenzierung per Vergabepraxis;

-mit immer neuen Wortschöpfungen werden Kosten und Erträge von Finanzdispositionen verschleiert und unvergleichbar gemacht. Das IFF bemüht sich, diese Praktiken zu erforschen und zu bekämpfen. Datenbasis bildet die enge Zusammenarbeit mit den Verbraucherzentralen, die das Institut derzeit zusammen mit der Bundesanstalt für Arbeit (ABM-Mittel) finanzieren. Das IFF entwickelte ein EDV-gestütztes Expertensystem zur Finanzberatung, ein computergestütztes Rechtsberatungssystem und ein computergestütztes Schuldenberatungssystem, die sich in der Praxis der Verbraucherzentralen bislang bestens bewährt haben. Feindbild des Institutes ist der mitleidige Schuldenberater, der seinen Schützling wohlmeinend seiner Schuldensituation anpaßt, sprich für Bank-und Sozialsystem einen bequemen Mittelweg sucht. Die IFF-Programme erlauben dagegen den BeraterInnen in der Praxis, Rechtswidrigkeiten auch in komplexen Verträgen aufzudecken. Das IFF stellt seine Systeme Organisationen und Anwälten zum Selbstkostenpreis zur Verfügung, sorgt mit Schulungen, Gutachten und Veröffentlichungen in Fachzeitschriften für Gegenmacht zur Praxis der Banken und Versicherungen. Udo Reifner: „Ich hab‘ nichts dagegen, daß Banken und Versicherungen Geld verdienen.“ Doch sollten alle den gleichen Preis für gleiche Leistung zahlen.

Das Institut führt keine Einzelfallberatung durch und nimmt keine Gelder von Finanzdienstleistungsunternehmen.

IFF, Große Bleichen 23, 2000 Hamburg 36, Tel. 040/34 28 59.

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