: Personalabbau beim DGB
Gewerkschaftsbund will zwölf Millionen sparen / Internes Gutachten zur Organisation schlägt umfassende Einsparungen in den DGB-Kreisen vor ■ Von Martin Kempe
Berlin (taz) - Der Gesamtbetriebsrat des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) war beunruhigt. „Liegen neue Personaleinsparungsbeschlüsse schon in der Schublade?“, fragte er in seinem „GBR-Info“ am 6.Juni dieses Jahres. Antwort: Damals noch nicht, sondern erst zwei Wochen später. Eine Diskussionsvorlage für den Bundesvorstand mit dem Titel „Organisationsentwicklung des DGB“ trägt das Datum vom 21.Juni 1988. In diesem Papier werden Vorschläge zur Personalkostensenkung des DGB von derzeit 64 auf 60 Prozent vorgelegt, die - wenn sie verwirklicht werden - den Haushalt des DGB um rund zwölf Millionen Mark entlasten und gleichzeitig einschneidende Einschränkungen der gewerkschaftlichen Handlungsfähigkeit zur Folge haben. Gestern hat der DGB-Bundesvorstand über das Papier beraten. Ein Ergebnis war bis Redaktionsschluß nicht bekannt. Aber es wird erwartet, daß die Vorlage der Tendenz nach akzeptiert und damit zur Grundlage aller weiteren Maßnahmen wird.
Erarbeitet wurde die Diskussionsvorlage in der Düsseldorfer DGB-Zentrale, im Ressort des für Organisation zuständigen Vorstandsmitglieds Jochen Richert. Gespart werden soll vor allem bei den DGB-Kreisen, den Landesbezirken und im Bildungsbereich, am wenigsten jedoch in der Zentrale selbst. Fortsetzung auf Seite 2
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„Der regionale Zuschnitt der DGB-Kreise richtet sich zukünftig nicht mehr an den räumlichen Grenzen einzelner Kommunen oder politischer Kreisverwaltungen aus, sondern an Regierungsbezirksgrenzen oder - je nach Situation vergleichbaren politischen Planungs- und Verwaltungsregionen (mit Ausnahme der Großstädte)“. Diese scheinbar periphere organisationstechnische Veränderung hätte in der Praxis einschneidende Folgen für die politische Präsenz des DGB in den Regionen. In Bayern z.B. gibt es derzeit 44 DGB-Kreise. In Zukunft wären es nur noch fünf, entsprechend den fünf Regierungsbezirken des Bundeslandes. In Rheinland Pfalz würde die Zahl der DGB-Kreise von 18 auf drei schrumpfen. Ähnlich sieht es in allen anderen Bundesländern mit Ausnahme der Stadtstaaten aus. Damit die Gewerkschaften sich nicht völlig „aus der Fläche“ verabschieden und weiterhin mitgliedernahe Betreuungsarbeit leisten können, schlägt das interne Gutachten vor, jedem DGB-Kreis „in der Regel zwei Geschäftsstellen“ zuzuordnen, die vor allem für die gewerkschaftlichen Dienstleistungen wie Rechtsberatung, Bildungsarbeit, Kommunikation mit örtlichen Mitgliedergruppen usw. zuständig sein sollen. Nur in einer unauffälligen Zusatzbemerkung wird aufgegriffen, was bisher in gewerkschaftsinternen Diskussionen immer als möglicher Weg zur Politisierung der gewerkschaftlichen Arbeit vor Ort gefordert wurde: „Ergänzend ist auch zu prüfen“, heißt es in dem Papier, „ob und gegebenenfalls durch welche Maßnahmen die Arbeit der DGB-Ortskartelle ausgeweitet und verbessert werden kann“. Aber dem DGB geht es bei seiner Organisationsreform hauptsächlich ums Geld. Und die „Gebietsreform“ des DGB ermöglicht nach Aussage des Papiers mittelfristig Einsparungen bei den „Personalkostenaufwendungen“ in Höhe von 8 Millionen Mark. Für die bisherigen Landesbezirke werden rund 2,8 Millionen Mark geringere Personalkosten vorgesehen und beim Bildungswerk des DGB sollen die Aufwendungen „um zwei bis drei Millionen DM“ gekürzt werden. Ermöglicht wird das durch die „Trennung von einer Bundesschule“.
Nicht detailliert ausgeführt sind in dem Papier die geplanten Einsparungen im Bereich der kulturellen und wissenschaftlichen Aktivitäten des DGB. Im Visier sind dabei sowohl die Publikationen, etwa die schwindsüchtige DGB -Wochenzeitung „Welt der Arbeit“, wie auch das Wirtschafts und Sozialwissenschaftliche Institut des DGB (WSI), bei dem auf noch ausstehende „politische Entscheidungen“ verwiesen wird. Außerdem soll es eine „Lösung des Problembereichs „Ruhrfestspiele“ geben.
All diese vorgeschlagenen Stelleneinsparungen müssen nach Meinung der Autoren „zügig verwirklicht werden“.
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