: Sturmlauf gegen Erdgassteuer
Bonner Koalition vor totalem Fiasko / Von der Industrie bis zu Verbraucherverbänden schießen alle gegen die geplante Erdgassteuer ■ Von Kurt Hübner
Berlin (taz) - Die Steuerreform wird zu einem immer größeren Fiasko für die Bonner Koalition. Opposition, Verbraucherverbände, Gaswirtschaft, Gewerkschaften und Naturschützer laufen Sturm gegen die jüngsten Koalitionsvereinbarungen zur Einführung einer Steuer für Erdgas. Die zu erwartenden Steuermehreinnahmen von etwa drei Milliarden Mark werden mit einer Woge politischen Protestes erkauft, gegen den die Debatte um die Befreiung von der Flugbenzinsteuer einem Sturm im Wasserglas gleichkommt.
Die jüngste Koalitionsentscheidungen zur Einführung einer Erdgassteuer und zur Erhöhung der Steuer für schweres Heizöl entbehren jeglicher Rationalität. Unter ökologischen Gesichtspunkten kommt die Einführung der Erdgassteuer von drei Pfennig je Kubikmeter eine Aufforderung an die Verbraucher gleich, zu den umweltbelastenderen Energieträgern schweres Heizöl und festen Brennstoffen umzuschwenken. Die gerade angelaufene Modernisierung veralteter Heizanlagen, die bislang zu einer jährlichen Reduzierung des Schwefeldioxidausstoßes von 400.000 Tonnen geführt hat, dürfte auf der Strecke bleiben.
Die Konkurrenzfähigkeit des Erdgases wird durch die Koalitionsentscheidungen gleich in zweierlei Weise beeinträchtigt. Die Einführung der Erdgassteuer dürfte zu einer direkten Steigerung des Lieferpreises bis zu 30 Prozent führen. Darüber hinaus wird der Erdgaspreis aber auch noch indirekt berührt: Weil der Preis für Erdgas an den Endverbraucherpreis für Heizöl angebunden ist, wird sich die ebenfalls geplante Anhebung der Verbrauchssteuern für Heizöl in Form einer zusätzlichen Preisbelastung auswirken. Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände müssen die an Erdgas angeschlossenen Haushalte mit einer jährlichen Mehrbelastung von 200 bis 300 Mark rechnen. Dieser Griff in die Geldbörsen der Haushalte übertrifft noch die Kosten der geplanten Benzinverteuerung, die die Autobesitzer mit durchschnittlich 150 Mark belasten wird.
Der Hinweis des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Alfred Dregger, die Erhebung einer Erdgassteuer liege vor allem im Interesse der vielen berufstätigen Pendler, die ansonsten von einer Fortsetzung auf Seite 2
noch stärkeren Erhöhung der Mineralölsteuer getroffen worden wären, kann nur noch als Ausdruck politischer Hilflosigkeit gewertet werden.
Belastungen können sich die Koalitionäre in Bonn nur noch für die Lohnabhängigen vorstellen. An den teuren Weltraumvisionen des Fliegenträgers Riesenhuber sowie der überproportionalen Steigerungsrate des Haushalts des neu inthronisierten Verteidigungsministers Scholz darf schon aus staatspolitischer Raison nicht gerüttelt werden. Wenig Realisierungschancen dürfte auch der von Hubert Weinzierl, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, eingebrachte Vorschlag zur Einführung einer Atomsteuer haben, die ein Steueraufkommen von etwa zwölf Milliarden Mark bringen würde.
Ökologische Rationalität hat in Bonn selbst dann keine Chance, wenn sie sich besser rechnet. Die hilflos zusammengeschusterte Steuerreform wird aber auch zu einer immer stärkeren Belastung für die konjunkturelle Entwicklung der bundesdeutschen Wirtschaft. Das von Kohl während des Weltwirtschaftsgipfels noch groß angekündigte binnenwirtschaftliche Ankurbelungsprogramm, das zu einem Abbau der internationalen Ungleichgewichte im Handel führen sollte, rückt in immer weitere Ferne. Die steuer- und haushaltspolitischen Beschlüsse führen nach Angaben des SPD -Fraktionsvorsitzenden Hans Apel zu einer Reduzierung der konsumtiven Endnachfrage von insgesamt etwa 20 Milliarden Mark Die eingeräumten Steuererleichterungen werden durch die drastischen Erhöhungen der indirekten Steuern umgehend wieder gekappt. Mit der zeitgleich in Gang gesetzten Steuererhöhungsrunde sind darüber hinaus auch Verteilungswirkungen beschlossen, die die Schieflage zugunsten der Besserverdienenden noch verstärken wird. Der jetzt auch von CSU-Chef Strauß mitgetragene Rückzug seiner Partei von der Befreiung der Flugbenzinsteuer wird daran wenig ändern.
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