Vogelfrei

■ Wenn das Wetter Schicksal spielt

Eine Taube ist es nicht. Die wäre mir nicht ins Haus gekommen. Damit hört die sichere Seite bei Artenbestimmung aber bereits auf. Ich glaube, es ist eine junge Krähe - oder vielleicht doch ein Rabe? Geschockt hockte der Vogel Dienstag nacht im Rinnstein zwischen den Autos und ließ seine Stummelflügel hängen. Sein - oder ihr? - Nest lag zerschmettert daneben, vom Platzregen aus der Astgabel hoch droben geholt. Ziemlich groß, das Vieh, mit grauen Federn, ein wenig flaumig noch, einem großen, dunklem Schnabel, allerdings nicht so spitz wie ein Krähenschnabel, eher ein bißchen wulstig. Der Zweibeiner sieht gut genährt und kräftig aus, ist aber offensichtlich nicht flugtauglich.

Was tun? Den Hunden zum Fraß überlassen? Weg von der Straße in den grünen Hinterhof ist auch keine Lösung, denn dort lauert der fette gelbe Kater. Dann lieber mit nach Hause nehmen, 'rin in die Kiste. Die Bestie hackt mit dem Schnabel und schlägt mit den Flügeln; scheint etwas nervös zu sein. Und wie weiter, fragt der WG-Genosse. Schulterzucken. „Würmer müssen ran, ist doch klar“, sagt Unmweltspezialist Tillack. „Wasser und Brot“, grölt Malzahn in seiner Jungmänner-Sicherheit. „Auf die Schulter setzen und Sprechen beibringen“, ist das wichtigste für Praktikantin Caroline, nicht bedenkend, daß das Vieh schon in einer Nacht die ganze Kiste vollgeschissen hat. Da wird der Vogel, wenn überhaupt, auf der Schulter nur das Fluchen lernen.

Ein Fall für den Fachmann also. Fehlanzeige freilich beim Zoo: „Wir haben keine telefonische Verbindung zum Vogelhaus, fragen sie einschlägige Zoohandlungen“, gibt sich die Empfangsdame kurz angebunden. Bei der Zoohandlung „Hannibal“, die auch einen Elefanten im Emblem hat, herrscht erstmal Sprachlosigkeit, bevor der Hinweis auf den Tierarzt kommt. Aufklärung bringt erst der Anruf bei der Neuköllner Filiale der „Rex-Tierfreund„-Ladenkette: Insekten und Maden, Körner und auch ein gekochtes Ei, ruhig mit der Schale, sagt die freundliche Dame. Woher sie das weiß? Sie hat gerade einen aus dem Nest gefallenen Spatz aufgezogen. Das überzeugt.

Aber schon, vorausgesetzt das Tierchen krähpiert nicht, schwant mir das nächste Problem: wie bringe ich dem Vogel das Fliegen bei?

Anrufe und Schreiben bitte an taz-Überlebenshilfe, Lokalredaktion.

gn