piwik no script img

Johannesburg im Regen - ein Besuch

Eigentlich darf es nicht regnen um diese Jahreszeit. Aber es gießt in Strömen. Stockdunkel ist es auch, obwohl es noch nicht einmal sieben Uhr abends ist. Wir haben die Autobahn nach Pretoria verpaßt, mühen uns auf der Landstraße, einen Weg zu finden, raus aus den feinen Vororten von Johannesburg nach Norden. Plötzlich zwei Autos am Straßenrand, die Fahrer stehen daneben, gestikulieren. Auf der regenglänzenden Straße liegt ein Mann, schief, alle Glieder verrenkt. Ein Bündel Mensch. Ein Schwarzer. Lebt er noch? Können wir was tun? Daß wir weiter fahren, kommt mir noch elender vor, als hätten wir es daheim getan.

Gillian und Anthony leben mit ein paar Freunden in einer Wohngemeinschaft. Ein geräumiges, etwas verschlamptes Haus in Troyeville, einer nicht so feinen Gegend von Johannesburg. Hier wohnen Weiße und Schwarze gemeinsam, obwohl das nach dem Group Area Act verboten ist. Manchmal gibt es Ärger mit den Vermietern, aber oft drücken sie ein Auge zu, weil sie die Miete kassieren wollen. Manchmal kommt auch die Polizei. Dann hilft nichts, und man muß sich eine neue Bleibe suchen. Bei Gillian und Tony ist das Problem gelöst: Die Wohngemeinschaft betreibt ein „Art's House“, da kann man drei Monate wohnen bleiben. Auch wenn man schwarz ist. Kinder sind auch da. Sie kriechen zwischen den halbfertigen Kunstwerken herum oder in der Küche, wo eine schwarze Frau sich abmüht, den Boden zu putzen. Sie kommt nur an wenigen Tagen, um das nötigste zu tun. Sie wird nett behandelt, aber ein bißchen ist es auch, als sei sie gar nicht da.

Der Taxifahrer ist eine nette Frau, eine Weiße mittleren Alters. Eigenartig in einer Stadt, in der für Dienstleistungen nur Schwarze zuständig sind. Ich bitte sie, in einen bestimmten Vorort zu fahren. Sie scheint nicht zu verstehen. Ich zücke meinen Plan, deute auf die Straße, sie stellt sich dumm: „Take another taxi!“ Ich kapiere gar nichts. Der schwarze Fahrer des nächsten Taxis grinst: „Das ist eine grey area, da fährt sie aus Prinzip nicht hin. Es paßt ihr nicht, daß da Weiße und Schwarze zusammen wohnen.“

Mein Freund von damals ist das, was man als Alt-68er bezeichnen würde. Als wir uns in Johannesburg wiedertreffen, sind 20 Jahre vergangen. Es ist, als kämen wir jeweils von einem anderen Stern. Er hat die Bundesrepublik vor Jahren verlassen, wollte einfach weg. In Südafrika hat er heute eine kleine Firma, Metallbau, ein Dutzend Arbeiter. Hinter dem Bungalow Swimmingpool und Tennisplatz. Ideale von damals? Zum Lachen. Das Leben ist eben anders hier. Die Schwarzen auch. Mit denen muß man hart umgehen, sonst spuren sie gar nicht.

Später bei einem neuen Bekannten. Er und seine Frau sind gerade 30. Eine Studienfreundin kommt zu Besuch, man hechelt die - fast ausschließlich weißen - Mitstudenten durch: die macht das, der macht jenes. Viele seien „activists“, auf die eine oder andere Weise. Wer ist ein activist? „Eigentlich jeder, der politisch was macht. Grob gesagt, activists stehen der Politik des ANC nah und tun was.“ Es gibt viele Möglichkeiten, sich einzumischen in das politische Leben Südafrikas, mehr als ich dachte. Es gibt Friedensgruppen, Studenten- und Hilfsorganisationen. Die Besucherin erzählt von alten Freunden, die im Untergrund leben, keinen festen Wohnsitz haben, nie ein Telefon benutzen, ständig das Auto wechseln. Beim Zuhören kommt es mir zunächst beinahe romantisch vor. Aber es ist alles andere als das. Die junge Frau war schon zweimal im Knast, einmal sieben Monate, ohne Verfahren, ohne Urteil. Einfach aus dem Verkehr gezogen. Manche activists müssen ins Exil gehen, oder sie tun es freiwillig, weil sie die ständige Jagd leid sind.

Gabriele Pein

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen