: Rot-Grünes Licht für die Kiefernstraße
Düsseldorfer Stadtparlament sorgt mit den Stimmen von Grünen und SPD für das Überleben der besetzten Häuser in der Kiefernstraße für mindestens acht bis zehn Jahre / Langfristig soll das Gebiet dennoch zur Gewerbezone werden / Besetzer warten jetzt auf Renovierung ■ Aus Düsseldorf J.Nitschmann
Im Gegensatz zur ursprünglichen Planung sollen die besetzten Häuser auf der Düsseldorfer Kiefernstraße vorerst erhalten bleiben und für „mindestens acht bis zehn Jahre“ an die derzeitigen Bewohner vermietet werden.
Nach achtjährigem Kampf der Hausbesetzer hat die rot-grüne Mehrheit im Düsseldorfer Stadtparlament am Dienstag abend einen entsprechenden „Bestandsschutz“ für die vom Abriß bedrohten Häuser auf der Kiefernstraße beschlossen. Danach soll das Areal langfristig in ein Gewerbegebiet umgewandelt werden. Die Bestandsgarantie des Rates ist nach dem Vorbild der „Hamburger Linie“ an die Bedingung geknüpft, daß die Hausbesetzer - gegenwärtig sind noch 54 von insgesamt 230 Wohnungen auf der Kiefernstraße besetzt - in den kommenden Monaten rechtsverbindliche Mietverträge mit der Stadt als Wohnungseigentümerin abschließen.
Offen ist allerdings auch nach diesem Ratsbeschluß, inwieweit die besetzten Wohnungen von der Stadt saniert und instandgesetzt werden. Die für diese Arbeiten im Stadtetat zur Verfügung stehenden drei Millionen Mark reichen nach den Angaben von Ober-Stadtdirektor Karl Ranz (SPD) nicht einmal aus, um die notdürftigsten Reparaturen in den Häusern durchzuführen.
Bewohner der Kiefernstraße erklärten nach dem Ratsbeschluß, diese befristete Bestandsgarantie sei „das Minimum“ als Voraussetzung für den Abschluß von Mietverträgen. Es komme nun vor allem darauf an, ob die Stadt die Besetzer-Wohnungen in einen „mietreifen Zustand“ bringe. Auch die achtköpfige Ratsfraktion der Grünen war in der Vergangenheit für einen „dauerhaften Bestandsschutz“ der vom Abriß bedrohten Häuser eingetreten. Nach langen kontroversen fraktionsinternen Diskussionen stimmten die Grünen schließlich geschlossen einer zeitlich begrenzten Bestandsgarantie zu, um so dem Antrag der SPD gegen den Widerstand von CDU und FDP eine Mehrheit zu verschaffen.
Im Düsseldorfer Landtag hatten die beiden Oppositionsparteien CDU und FDP Innenminister Herbert Schnoor (SPD) in den vergangenen Wochen wiederholt zur Räumung dieser größten Hausbesetzerzeile in der Bundesrepublik aufgefordert, weil sie hier „ein Nest des Terrors“ witterten. Dieser Einschätzung der Landtags -Opposition hatte der Präsident des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, Fritz-Achim Baumann, am Dienstag ausdrücklich widersprochen. Der Verfassungsschutz will auf Basis angeblicher Erkenntnisse etwa zehn der insgesamt 692 gemeldeten Bewohner auf der Kiefernstraße mit dem „engeren Umfeld“ der Rote Armee Fraktion (RAF) in Zusammenhang bringen. Allerdings bestehe selbst gegen diese Personen „auch nicht der Anfangsverdacht“ einer Straftat, sagte Baumann. Der Präsident des NRW-Verfassungsschutzes korrigierte damit auch frühere Aussagen des Düsseldorfer Innenministeriums, das in seinen internen Polizeistudien 30 bis 50 der Besetzer dem RAF-Umfeld zugeordnet hatte.
Für erheblichen politischen Wirbel sorgte Innenminister Schnoor bei CDU und FDP mit seiner Äußerung, daß „selbst Terroristen in unserem Rechtsstaat ein Wohnrecht“ hätten. Auf die bohrenden Nachfragen der konservativen Journaille, warum er die Kiefernstraße nicht endlich räumen lasse, hatte der Innenminister am Dienstag erklärt: „Auch Menschen, die einem vielleicht politisch nicht passen, auch als Kriminelle nicht passen, müssen in unserer Gesellschaft noch irgendwo wohnen dürfen. Selbst ein Terrorist mit seiner Familie hat ja wohl noch Wohnrecht, darf 'ne Wohnung haben. Auch dem kann ich die Wohnung nicht wegnehmen. So ist das nun mal in unserer Gesellschaft, daß man die hier nicht einfach vertreiben kann.“
Die beiden Oppositionsführer im Landtag, Bernhard Worms (CDU) und Achim Rohde (FDP), erklärten daraufhin, Schnoor habe „mit seinem anbiederischen Kurs an die Gewaltszene die Grenzen des Zumutbaren überschritten“. Ursprünglich wollten CDU und FDP sogar den Rücktritt des Innenministers fordern. Das Springer-Blatt 'Die Welt‘ kommentierte die Schnoor -Äußerungen am Mittwoch mit den Worten: „Ein Wohnrecht für Terroristen gibt es laut Gesetz in den Vollzugsanstalten des Landes. Die ehemalige Kiefernstraßenbewohnerin Haule -Frimpong hat soeben einen Fünfzehn-Jahres-Vertrag erhalten.“
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