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„Zur Markthalle gehen und ihr verfallen“

■ Das alte Bremer Zentralbad soll abgerissen und eine Neue Markthalle hochgezogen werden / Farbiges, gewolltes Durcheinander aus Delikatess-Ständen, Bistros und Supermarkt / Über Bauantrag noch nicht entschieden, Parkproblem nicht gelöst

Köstliche Elsässer Pastete soll es dereinst zu kosten geben und frische Muscheln zu feinsten französischen Champagnern, süßeste türkische Leckereien und hauchdünn geschnittene Scheiben von der gegrillten Hammelkeule, zartblutige Steaks neben herzhaften spanischen Tapas: Angesagt ist die 'Neue Bremer Markthalle‘, abgerissen wird das ehemalige Zentralbad im tristgrauen Bahnhofsmilieu.

„Markthalle? Läuft bei uns nicht, wir sind zu konservativ“, zitiert schmunzelnd der „Konzeptionär“ und Planer Jochen Kuhlmeier gegenüber der taz die Bedenken, die ihm und seiner Vorstellung nicht nur in Bremen entgegenschlugen, „dabei sind Markthallen das Konservativste, was es gibt!“ Was es seit dem 19. Jahrhundert in Barcelona oder Turin und seit zehn Jahren auch in Hannover gibt, soll im November

1989 auch in Bremen eröffnet, begossen und genossen werden. „Hingehen tut jeder mal zu Markthalle, und dann ist er ihr verfallen“, prophezeit Kuhrmeier, und der kennt sich aus.

„Eine Markthalle, das ist kein umgebautes Warenhaus, keine Galerie und vor allem kein billiger Wochenmarkt: Eine Markthalle ist vor allem ein Basar“, findet Kuhrmeier, der schon die Hannover-Hallen konzipiert hat.

Für das neue Bremer Prunkstück soll das alte Zentralbad am Richtweg praktisch abgerissen werden - bis auf Teile der Außenmauern: „Sonst kriegten wir niemals eine 100prozentige Flächenbebauung neu genehmigt“, gibt Kuhlmeier freimütig zu und spricht deshalb lieber von „Entkernung“. Zum Richtweg hin ist ein runder gläserner Eingang und - nach dem Willen der Baubehörde - eine bremisch rotver

klinkerte, glasbestückte Fassade vorgesehen. Links baut das Bauunternehmen 'Strabag‘ als derzeit einzige Eigentümerin des Ganzen ein Haus für neun ÄrztInnen, Apotheke, Reformhaus, hinter dem sich das Parkhaus verbirgt. Ein extra hohes Untergeschoß für die LKW der Marktleute und 375 Parkplätze für die BesucherInnen sind darin eingeplant.

Ins Erdgeschoß des Hallengebäudes kommen die BesucherInnen durch das gläserne Entree und stehen sofort vor schwierigen Entscheidungen: zuerst vernünftig im Supermarkt Klopapier,

Katzenstreu und Klarsichtfolie erstehen oder sofort durch die Freßgasse schlendern, ein Gläschen Weißwein probieren und vielleicht „Hammelnierchen, die kleinen, leckeren“ (Kuhlmeier) bestellen? Über gläserne Rolltreppen und Panorama-Lifts (Sehen und Gesehenwerden) geht es in den ersten Stock, den eigentlichen Markt. Gegen den Bremer Himmel schützt das verglaste Dach auf hallen-stilechten Stahlträgern. Von den 101 Ständen sind bereits jetzt 51 vermietet, davon 48 an in- und ausländische Bremer HändlerInnen aus neun Ländern. „75 Prozent Ausländer sollen rein, das bringt erst Farbe, da können die Deutschen nur lernen“, weiß Kuhrmeier aus Hannover. Anders als in anderen Städten, wo „die sogenannten Hallen in Schönheit und Sterilität vor sich hinsterben, weil alles durchgestylt ist“, will Kuhlmeier die HändlerInnen ihre Stände selbst und fast ohne Auflagen gestalten lassen. Nur: Taufrisch muß alle Ware jederzeit sein, und lautes Anpreisen gibt es ebensowenig wie Lautsprecher-Musikberieselung.

„Wir sind kein billiger Jakob, für Frische und Flair muß man bezahlen“, stellt Kuhrmeier fest. In Hannover gibt die durchschnittliche „TaschenkundIn“ in nur 20 Minuten 35 Mark für Einkäufe und 15, am Wochenende sogar 25 Mark für Verzehr aus.

Weil das Ganze bis eine Stunde nach Mitternacht geöffnet und am frühen Morgen schon wieder reger Lieferverkehr zu erwarten sein wird, kämpfen die AnwohnerInnen der umliegenden Straßen seit Jahren gegen alle Marktpläne. Der zuständige Beirat Mitte hat sein O.K. zum Markt mit der Bitte verbunden, daß der Verkehr aus der Wohn- und Geschäftsstraße Fedelhören herausgehalten und alle Parkplätze in der Hochgarage öffentlich genutzt werden. „Die Bauordnung sieht ohnehin 75% der Plätze für BesucherInnen und 25% für Beschäftigte vor“, erklärte der Leiter des Bauordnungsamtes, Jürgen Müller, der taz. Über den Bauantrag ist noch nicht entschieden. Das Parkhaus hat 352 Plätze, in der Nähe liegt noch das Remberti-Parkhaus. In Hannover kommen in der Woche drei- und am Wochenende auch mal 10.000 BesucherInnen - an einem Tag. Susanne Paa

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