: Seit sechzehn Jahren in Isolation
Irmgard Möller wurde 1972 verhaftet - seitdem lebt sie in Isolationshaft / Sie überlebte 1977 als einzige die „Nacht von Stammheim“ und widersprach von Anfang an der offiziellen Darstellung ■ Von Petra Bornhöft
Berlin (taz) - Am 8.Juli 1972 hatte die Polizei am Offenbacher Bahnhof eine Falle für die RAF vorbereitet - der tags zuvor festgenommene Hans-Peter Koniecny hatte als Lockvogel ein Treffen vereinbart. Als erster ging Klaus Jünschke in die Falle, dann auch Irmgard Möller. Seither befindet sich Irmgard Möller nach über sieben Jahren Untersuchungshaft in Isolationshaft. „Es gibt mit Sicherheit keine Frau, die in der Bundesrepublik das durchzumachen hatte, was sie durchmachte“, sagte Klaus Jünschke unmittelbar nach seiner Freilassung im vergangenen Monat.
Irmgard Möller, von Behörden und Medien dem „harten Kern“ oder „Führungskader“ der RAF zugerechnet, wurde zunächst 1976 in Hamburg wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu viereinhalb Jahren Knast verurteilt. Kurze Zeit später beschuldigte ein Kronzeuge der Bundesanwaltschaft die Ex-Studentin, u.a. an einem Bombenanschlag auf das Heidelberger US-Hauptquartier im Mai 1972 beteiligt gewesen zu sein. Bei diesem Anschlag starben drei Menschen, mehrere wurden verletzt.
So blieb Irmgard Möller in U-Haft, 'zigmal in andere Knäste verlegt, aber immer abgeschottet von anderen Gefangenen. Gerichtsgutachter forderten die Aufhebung der Isolation, um „nicht wiedergutzumachende Störung der Gesundheit“ zu verhindern. Irmgard Möller klagte über mangelnde Seh- und Konzentrationsfähigkeit, Erinnerungsschwächen, Ohrenrauschen, Schlafsucht.
Derartige Beschwerden drangen in den letzten Jahren nicht mehr an die Öffentlichkeit. Das liegt zum Teil daran, daß sich auch infolge öffentlicher Proteste und der zahlreichen Hungerstreiks der RAF-Gefangenen die Haftbedingungen geändert haben.
Vor dem Kontaktsperregesetz 1977 war Irmgard Möller neun Monate zusammen mit Baader, Ensslin und Raspe in Stammheim inhaftiert. Als einzige der vier überlebte sie, mit mehreren Stichwunden in ihrer Zelle aufgefunden, die Nacht vom 17. auf den 18. Oktober 1977. Von Anfang an widersprach Irmgard Möller der offiziellen Darstellung, die RAF-Mitglieder hätten Selbstmord begangen: Sie habe sich die Messerstiche nicht selbst zugefügt. Bis heute gelten die Ursachen von Tod und Verletzung in Stammheim als umstritten.
Derzeit sitzt Irmgard Möller, 1979 zu lebenslänglich verurteilt, gemeinsam mit zwei anderen RAF-Gefangenen im Lübecker Hochsicherheitstrakt. Ursprünglich waren es fünf Frauen, die dort als Gruppe von den anderen Häftlingen isoliert leben. Nach Entlassung von zwei Frauen haben andere immer wieder Anträge gestellt, nach Lübeck verlegt zu werden - ergebnislos. Soweit in Erfahrung zu bringen, klagt Irmgard Möller gegenwärtig nicht über Beschwerden, wie sie früher auftraten. Aufhebung der Isolation zugunsten des „Normalvollzuges“ lehnen die Gefangenen ab. Sie wollen in „großen Gruppen“ zusammenleben.
Ob sich an der Haftsituation von Irmgard Möller, Hanna Krabbe und Christine Kuby etwas ändern soll, überprüft zur Zeit der neue schleswig-holsteinische Justizminister. Die Untersuchung werde noch einige Wochen dauern, hieß es auf Anfrage in Kiel.
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