Startbahn West: Mordanklage

Bundesanwaltschaft erhebt Mordanklage gegen Eichler und Hoffmann wegen der erschossenen Polizisten im Startbahnwald bei Frankfurt / Anwälte von Eichler: „Völlig aus der Luft gegriffen“ / Mordvorwurf zurückgewiesen  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Generalbundesanwalt Kurt Rebmann hat gestern vor dem Oberlandesgericht Frankfurt Anklage gegen den 34jährigen Andreas Eichler und den 25jährigen Frank Hoffmann wegen „gemeinschaftlichen Mordes an zwei Polizisten“ und des „versuchten Mordes“ an drei weiteren Polizeibeamten an der Startbahn West erhoben. Der Ankläger wirft damit Eichler und Hoffmann vor, die Tat gemeinsam geplant und durchgeführt zu haben. Beide sollen „mindestens 14 Schüsse auf anrückende Polizeibeamte abgegeben“ haben. Dabei seien die Polizisten Schwalm und Eichler tödlich getroffen und drei weitere Beamte verletzt worden, heißt es in einer ersten Erklärung der Bundesanwaltschaft zur Anklageerhebung. Gegen Eichler und Hoffmann - sowie gegen sechs weitere Personen - wurde darüber hinaus Anklage wegen der „Mitgliedschaft in einer terroristischen beziehungsweise kriminellen Vereinigung“ erhoben. Laut Rebmann soll Eichler der „Rädelsführer“ dieser „terroristischen beziehungsweise kriminellen Vereinigung“ gewesen sein.

Die Verteidiger von Andreas Eichler, die Frankfurter Anwälte Johannes Riemann und Armin Golzem, halten die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft in entscheidenden Punkten für „völlig aus der Luft gegriffen“. Rechtsanwalt Golzem zur taz: „Woher die Bundesanwaltschaft ihre Gewißheiten um den Ablauf der Geschehnisse nimmt, bleibt selbst dem Aktenkundigen verschlossen. Die jetzt aufgestellte Behauptung, Eichler und Hoffmann hätten abwechselnd mit der gleichen Waffe auf die Polizeibeamten geschossen, ist pure Spekulation.“ Zu weiteren Erklärungen sahen sich die Anwälte - angesichts der 300 Seiten umfassenden Anklageschrift „zum jetzigen Zeitpunkt“ nicht in der Lage.

Wie Bundesanwalt Alexander Prechtel gegenüber der taz erklärte, hätten die Ermittlungen ergeben, daß Eichler und Hoffmann am 2. November 1987 kurz nach 21 Uhr „ihrem gemeinsamen Tatplan entsprechend abwechselnd aus der von ihnen gemeinsam am 8. November 1986 in Hanau geraubten Schußwaffe mindestens 14 Schüsse auf die anrückenden Polizeibeamten abgefeuert haben“. Dabei seien die Beamten Eichhöfer und Schwalm tödlich getroffen worden; zwei Schüsse hätten den Beamten Köhler im Brustbereich und den Beamten Täufer am linken Oberschenkel verletzt. Darüber hinaus wurde der Polizeibeamte Nitschke durch einen Streifschuß oberhalb des rechten Innenknöchels verletzt.

Nach Angaben von Prechtel sollen sich vier der von den Schüssen getroffenen Beamten zwischen 83 und 159 Meter vom ungefähren Abgabeort der Schüsse entfernt aufgehalten haben. Dagegen soll der Beamte Eichhöfer aus 516 Metern Entfernung getroffen worden sein; er habe sich fast 400 Meter hinter den anderen Polizeibeamten befunden. Man könne hier zwar nicht von einem gezielten Schuß auf den Beamten Eichhöfer sprechen, doch seien „zweifelsfrei gezielte Schüsse auf die anrückenden Polizeibeamten abgegeben worden“. Prechtel: „Rechtlich spielt es keine Rolle, wenn man auf anrückende Polizeibeamte schießt, ob man nun den zweiten Beamten von links treffen wollte oder ob man einfach auf diese anrückende Menschenwand schießt. Und da geht halt eine Kugel durch die ersten Reihen durch und trifft 400 Meter weiter hinten einen Beamten. Das macht rein rechtlich alles keinen Unterschied.“ Man könne zwar davon ausgehen, daß die Kugel, die den Beamten Eichhöfer traf, über die Köpfe der näher stehenden Beamten hinweggegangen sei, doch die anderen vier Beamten seien schließlich aus etwa 100 Meter Entfernung getroffen worden, „und ein guter Schütze trifft mit einer Polizeipistole aus dieser Entfernung ein Fünfmarkstück“ (Prechtel). Vermutungen, wonach der Polizist Eichhöfer aus großer Entfernung erschossen worden sein mußte, waren von der Bundesanwaltschaft zunächst dementiert worden. In einer umfangreichen Recherche hatte die taz vor Monatsfrist die „500 Meter-Theorie“ mit Fakten untermauert.

Auf Nachfrage erklärte Prechtel weiter, daß feststehe, daß von Fortsetzung auf Seite 2

Kommentar auf Seite 4

FORTSETZUNGEN VON SEITE 1

Eichler und Hoffmann abwechselnd geschossen worden sei, wobei zumindest ein neues Magazin zum Einsatz gekommen sein müsse. Die „umfangreichen Ermittlungen“ hätten ergeben, daß weitere Personen an der Bluttat im Startbahnwald nicht beteiligt gewesen seien. Prechtel: „Gegen Eichler und Hoffmann gibt es eine ganze Vielzahl von Beweisen, die wir selbstverständlich erst in der Hauptverhandlung offenlegen werden.“

Neben der Mordanklage gegen Eichler und Hoffmann hat die Bundesanwaltschaft die Frankfurter Bürger/Innen Sigrun S., Ursula J., Michael K., Michael M., Ingrid T. und R.Hübner wegen der „Mitgliedschaft in einer terroristischen bzw. kriminellen Vereinigung“ angeklagt. Bundesanwalt Prechtel nannte nur bei Hübner den Nachnamen, da sich Hübner in U -Haft befindet. Alle anderen Personen seien haftverschont worden.

Nach den Behauptungen der Bundesanwaltschaft sollen die genannten Personen spätestens seit Juni '87 Anschläge auf Hochspannungsmasten und Brandanschläge auf andere Einrichtungen der Elektrizitätswirtschaft begangen haben. Auch Anschläge auf Einrichtungen an der Startbahn West und auf ein Wahllokal in Mörfelden-Walldorf sollen die Angeklagten begangen haben. Die Bundesanwaltschaft spricht von der „Gruppe Eichler“.

Sowohl Eichler als auch Hoffmann hatten in der Vergangenheit in unterschiedlichen Erklärungen den Tatvorwurf des Mordes öffentlich zurückgewiesen.