: Nitribitt: ein Treffpunkt für Prostituierte
■ Prostituierte und Ehemalige haben jetzt ein schönes Zentrum in der Stader Straße / 'Nitribitt‘ bietet Rechts- und Schuldenberatung und gibt Tips zum Um- und Aussteigen / Sachmittel gesichert, drei ABM-Stellen höchst gefährdet
„Ich bin nun mal 'ne Dirne!“ bekannte K., eine der 'Nitribitt'-Frauen gestern vor Presse und Gästen freundlich, frank und frei, sorgte sich zudem, daß alle Kaffee und auch Sahne bekamen und sprach die geladenen Herren völlig unabhängig von deren Alter und grauen Schläfen als „junger Mann“ an. Nach der legendären und unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommenen Frankfurter Prostituierten Rosemarie Nitribitt nennt sich die Bremer Selbsthilfegruppe für Prostituierte und Ehemalige, die gestern ihre neuen Räume in der Sta
der Straße 1, fast am Osterdeich, einweihte.
„Endlich hat es mit der unglücklichen alten Adresse ausgerechnet in der Desinfektionsanstalt ein Ende“, freute sich P., die eine der drei ABM-Kräfte des Nitribitt-Vereins ist.
Auf den Schreibtischen lagen die feministischen Klassiker 'Das verkaufte Geschlecht‘ von Kate Millet und Pieke Biermanns 'Wir sind Frauen wie andere auch!‘, im Holzregal stapelten sich Rommeekarten und Familienspiele. Drei große, hell renovierte Räume mit freundlichen Holzmö
beln, Sitzgruppe und großem Ausziehtisch gibt es, außerdem eine Küche und ein Bad. Nitribitt - das ist erstmal ein Treffpunkt zum Kaffeetrinken und Kennenlernen, für Prostituierte und Ehemalige. Etwaige wohlmeinende, mildtätige LehrerInnen sind gern gesehen als Fördermitglieder (mit mindestens 12 Mark im Jahr), aber nicht als tägliche Gäste, die die Frauen vom Strich, aus Bars und vom Telefon auf den
rechten Weg zu bringen versuchen.
Überredet werden zum Aus-oder Umstieg soll hier keine, und für alle, die mit Prostitution zu tun hatten oder weiterhin haben, gibt es Rechts- und Schuldenberatung und Tips für § -19-Stellen, ABM-Maßnahmen, Um- und Aussteigehilfen. Den ganzen Tag über kann jetzt in der Stader Straße eine Ansprechpartnerin telefonisch und persönlich zur Verfü
gung stehen. „Am Anfang saßen die Sozialarbeiterinnen ganz allein 'rum“, erinnert sich P. lächelnd, „und jetzt hat sich ganz langsam eine feste Bezugsgruppe entwickelt.“ Acht bis zehn Frauen aus dem Milieu arbeiten im Verein mit, 20-25 kommen recht regelmäßig zu den Beratungen, und zu weiteren 40 Prostituierten - vor allem zu denen, die per Kontaktanzeigen und Telefon arbeiten, gibt es Kontakte.
Daß die frischbezogenen neuen Räume am 31. Juli schon wieder gekündigt werden müssen, weil die Sachmittel von 18.500 Mark für 1988 nur bis Dezember bewilligt waren und die Kündigungsfrist der Wohnung ein halbes Jahr beträgt, hatten die Nitribitt-Frauen wohl zu Unrecht befürchtet. Der „junge Mann“ Dr. Gert Schöfer, Referent in der Gesundheitsbehörde, versprach „offene Ohren“ für den neuen Antrag: „Wenn sich hier was entwickelt hat, steht der Neubewilligung nichts im Wege.“ Daß das Geld aus dem Aids -Topf kommt, ist für Schöfer eine schlechte Notlösung: „Prostituierten-Politik muß einen eigenen hohen Stellenwert bekommen und gehört weg von Gesundheitspolitik und Aids.“
Eine Zitterpartie mit ungewissem Ausgang gibt es aber um die drei - für Nitribitt existenzentscheidenden - ABM -Stellen, die Ende Dezember auslaufen: Mehr als einmal verlängern ist nicht Bremer Recht.
In der Sozialbehörde wollen sich Referentin Gertrud Stoevesand und Brigitte Dreyer für Nitribitt stark machen: „Das muß als Frauenprojekt laufen, nicht über Aids und Gesundheit“, überlegte Stoevesand, „wenn man ein Bundes oder EG-Projekt hinkriegte, wäre das für die Projektlaufzeit abgesichert.“ Susanne Paa
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