: Umweltschützer be-wächtert
■ Bremer Werbeagentur entwickelte PR-Kampagne für Texaco-Bohrinsel im Wattenmeer: Info-Datei über Umwelt-Schutz-Initiativen, organisierte „Presse-Schelte“, Schutzwälle gegen Besetzer-Aktionen
Wie bricht man professionell den Widerstand von Umweltschutz -Initiativen gegen eine Ölbohrinsel mitten im Nationalpark Wattenmeer an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste? Diese Frage beschäftigt den Mineralölkonzern „Texaco“ spätestens, seit im Oktober letzten Jahres die Förderung von 200.000 Tonnen Nordsee-Öl pro Jahr aufgenommen wurde.
Nach jetzt von der Grünen Bundestagsabgeordneten Bärbel Rust und dem Bremer Grünen Jo Müller veröffentlichten Materialien wußte unter anderem die Bre
mer Werbeagentur „Wächter Industrie- und Wirtschaftswerbung GmbH“ Antwort und bot der Texaco ihre Dienste an; darunter: Den Einsatz eines Psychologen „für diffizile Bereiche“, „35 freie Kräfte (Studenten des RCDS und Referendare zum bundesweiten Erfassen von Aktionen, die seit Jahren durch Einsätze bei der Kraftwerksunion 'KWU‘ erprobt sind)“ und auch eine „Spezialdruckerei für Schnellschüsse“.
Neben einer großangelegten PR-Kampagne, die „menschlich, frisch, jugendlich mutig und mit einem guten Schuß Humor“ das
hohe Verantwortungsbewußtsein der Texaco und das „hohe technische Können“ ihrer Ingenieure unter Beweis stellen und „falsches ökologisches Gewissen zurechtrücken“ soll, schlägt die Bremer Agentur in einem 25-Punkte-Konzept insbesondere folgende Maßnahmen vor: Eine „Info-Datei zur Beobachtung und Auswertung der Absichten von Gegnern (Mitglieder, aktiv Verantwortliche, Aufbau, Geldquellen)“. Zweitens eine Strategie, um „interne Widersprüche“ der Initiativen auszunutzen - „unter Umständen durch Beitritt von
Mannschafts-Mitarbeitern“ der Werbeagentur. Drittens eine Pressebeobachtung zur „Schelte von Journalisten“ durch „persönliche Anschreiben“ an ihre Verleger. Viertens die eines „Doppelschutzrings“ für die Bohrinsel als Schutzwall gegen Boote, „die von See aus die Insel angreifen wollen“. (weitere Details siehe auch S.2)
Die Wächter Industrie-und Wirtschaftswerbung GmbH gehört zu den renommiertesten und 100 größten Werbeagenturen der Bundesrepublik. Zu ihren Dauerkunden zählen zahlreiche Energieversorgungs-Unternehmen, darunter auch die Bremer Stadtwerke, die Stadtwerke Hannover und Oldenburg. In der Vergangenheit arbeitete Wächter auch für die Nordwestdeutsche Kraftwerke AG (NWK), die inzwischen in der Betreibergesellschaft der Atomkraftwerke Grohnde, Brokdorf und Esenshamm, Preußen Elektra, aufgegangen ist. In ihrem PR -Konzept für die Texaco-Bohrinsel im Wattenmeer verweist Wächter ausdrücklich auf Erfolge und einschlägige Erfahrungen in Brokdorf, Esenhamm und Gorleben, wo es dem Unternehmen gelungen sei, „Angst und Mißtrauen der Bevölkerung in Vertrauen zu verwandeln“.
Der Wächter-Geschäftsführer, Erich Wächter, bestätigte gestern indirekt, das „PR-Konzept Texaco-Bohrinsel“ entwickelt zu haben. Gegen eine entsprechende „Präsentationsgebühr“ habe die Wächter GmbH sich an einer entsprechenden Texaco-Ausschreibung beteiligt. Eine inhaltliche Stellungnahme zu den vorgeschlagenen PR-Methoden lehnte Wächter mit dem Hinweis ab, sämtliche Rechte an dem Konzept an den Mineralölkonzern abgetreten zu haben.
Auch ein Unternehmenssprecher der Texaco bestätigte gestern, daß unter anderem bei Wächter ein PR-Konzept für die Nordsee-Bohrinsel in Auftrag gegeben worden sei. Nach eingehender Prüfung des Wächter-Angebots habe sich das Texaco-Management allerdings gegen die Umsetzung der Kampagne entschieden. Ob eine andere Agentur mit ähnlichen Vorschlägen den Zuschlag erhalten habe, mochte der Texaco -Sprecher ebensowenig verraten wie die Gründe, die zur Ablehnung der Wächter-Konzeption geführt haben. Ein Punkt sei gewesen, daß die Texaco-PR-Abteilung die Wächter -Konzeption für „völlig überdimensioniert und kostenintensiv“ gehalten habe.
K.S.
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