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WANDERER ZWEIER WELTEN

■ Nichts für Mitläufer: Josef Koudelka in der Akademie der Künste

Die Akademie der Künste macht einen fest verschlossenen, ja abwesenden Eindruck. Selten verirrt sich jemand hierher aus der Kulturstadt Europas. Auch fehlen diese wunderbaren Rezensionen, deren wichtigste Aufgabe es doch ist, auch jenen die Möglichkeit zu bieten, sich eine eigene Meinung zu bilden und mitzureden, die nicht da waren. Bei Koudelka muß man also nicht gewesen sein.

Er ist Fotograf, und er ist nicht von hier. Er ist überhaupt nicht von hier, er ist Tscheche. Er hat Zigeuner fotografiert, in der Tschechoslowakei und in Rumänien, jahrelang. Mit diesen Fotografien ist er andernorts berühmt geworden. Wer sie gesehen hat, wird sie wohl nicht mehr so schnell vergessen. Das hilft auch gegen die fotografische Umweltverschmutzung. Und er ersparte sich und uns den soziologischen Blick, er ist ein liebender Zeuge. Minderheiten kommen hier nicht vor. Einzelne, Paare, Gruppen, Kinder, Alte, auch Tote bevölkern ganz selbstverständlich seine Fotografien.

1970 verließ er die Tschechoslowakei, reist weiter den Zigeunern nach, um sie zu fotografieren und um schließlich selbst, wie sie, immer unterwegs zu sein. Dieser Teil der Ausstellung, der Fotografien von 1970-1983 zeigt, heißt „Exil“. Als ich die ersten Publikationen seiner Bilder aus Westeuropa gesehen hatte, war mir aufgefallen, wie verändert seine Bildsprache wirkte, die Kamera oft geradezu ins Leere zielt. Er thematisiert auf sehr persönliche Weise und nicht ohne Artistik das angenommene Exil, das er durchwandert ohne Groll, freundlich, staunend, wie mir scheint, manchmal mehr über sich und seine Situation, als über die ihm fremde Welt.

Am Ende der Ausstellungshalle ist eine dunkle Kammer zu betreten. Leere Stühle stehen hier vor einer Leinwand, auf der in regelmäßigen Abständen Stunde für Stunde, Tag für Tag Bilder erscheinen, die in jenen Tagen aufgenommen wurden, als sowjetische Truppen in Prag einmarschierten, weil die Tschechen und Slowaken in ihrem kleinen Land etwas verwirklichen wollten, was der arme Gorbatschow in seinem großen Land jetzt ganz allein tun muß. Eine Auswahl dieser Fotos ist auch in großformatigen Abzügen ausgestellt.

Wohl nur dieses eine Mal fühlte sich Koudelka als Dokumentarfotograf, als Zeitzeuge gefordert. Konsequent beginnt die Serie mit dem fotografierten Blick auf die Armbanduhr hoch über dem leeren Wenzelsplatz (unter den Bäumen warten Panzer). Dann füllen sich die Straßen und Bilder mit Panzern und Soldaten und mit Pragern, die merkwürdig angstlos die Panzer umlagern, sie aufzuhalten suchen, auf sie klettern, um mit den russischen Soldaten zu diskutieren. Und die, Menschen eben, wirken oft verwirrt, überfordert. Doch es geht weiter, es wird geschossen, es gibt Tote, Panzer brennen, Häuser brennen.

Zum Gedenken an Jan Pallach, der sich auf dem Wenzelsplatz verbrannt hat, findet ein nächtlicher Trauermarsch statt, und es endet mit jener Art abstrakter Wandmalerei, die entsteht, wenn Parolen übertüncht werden.

In dieser Serie ist, nebenbei, auch zu beobachten, wie Koudelka seine Bilder sucht und wie er sie findet: in der Suche nach der dramatischen Konstellation, dem dramatischen Augenblick, der, sich mit Hilfe von Licht und Schatten im Bild auflösend, zum Bild wird. Da ist das Bild eines Mannes, der vor einem ausgebrannten Haus steht und uns anschaut. Hinter ihm leere Fensterhöhlen, die Wände schwarz von Ruß, dem Schatten, den Flammen hinterlassen. Sein Gesicht: nein, nicht zerstört und leer. Zerfurcht, geqält und von Schatten gezeichnet.

Für diese Fotos wurde Josef Koudelka anonym der Robert Capa -Preis zuerkannt. Waren Sie nicht auch damals in der großartigen Capa-Ausstellung? Sind wir uns dort nicht das letzte Mal begegnet, meine Damen und Herren Linken? Vielleicht stört Sie aber das Dramatische in Koudelkas Bildern, und vielleicht stört Sie auch sein Pathos, dieses östliche Pathos der Machtlosigkeit. Er ist eben nicht von hier, und er ist auch nicht beruhigend tot. Beunruhigend bleibt Ihnen vielleicht der Satz von Milan Kundera im Gedächtnis, den Sie zu Beginn der Ausstellung lesen können: „Es ist nicht das Drama des Kommunismus, das sich seit dreißig Jahren in Mitteleuropa abspielt, es ist das Drama des Westens.“

Bernd Markowsky

Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, bis zum 7. August, geöffnet 10-19, Mo ab 13 Uhr, Mi Eintritt frei.

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