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Kiez-Kickerinnen fehlt es an Prestige

■ Fußball-Frauen des SV Solidarität als „Lottermannschaft“ verschrieen / Das verbreitete Bild von „kickenden Mannweibern“ oder „bolzenden Walküren“ ist falsch / Die Kehrseite der Anarchie ist mangelnde Disziplin

Seit 1983 gibt es auf Initiative von Annie (Rechtsaußen/Mittelfeld), Carmen (Libera) und Gabi (Torfrau) eine Fußballfrauenschaft im SV Solidarität. Laut Annie war es Zufall, daß sich die Fußballerinnen gerade in diesem Klub trafen. Ideologische Motive spielten und spielen keine Rolle. Und auch keine explizit feministischen: So hatten sie keine Schwierigkeiten, einen männlichen Trainer zu akzeptieren. Seit einigen Jahren betreut Ortwin mit viel Engagement die Spielerinnen als Trainer.

Frauenfußball ist de facto längst eine etablierte Sache, einfach, weil er von vielen Frauen und Mädchen mit Begeisterung gespielt wird. In den Sportjournalien von TV und Radio spielt „Damen„-Fußball jedoch keine Rolle. Dem Frauenfußball fehlt es eindeutig an Prestige: noch immer geistern abschreckende Bilder von kickenden Mannweibern oder bolzenden Walküren durch die Köpfe. Zwar hat sich schon vieles getan, doch macht sich die brüskierte Männlichkeit auf ihrem angestammten Bereich - gelegentlich noch mit Gejohle und präpotenten Sprüchen („Kannste fummeln?“) Luft.

Fußball bot in der Vergangenheit hauptsächlich Männern Gelegenheit, ein Wir- oder Solidaritätsgefühl zu entwickeln. Aus ähnlichen Gründen bietet sich Fußball aber auch für Frauen als eine ideale Sportart an. Auf dem Fußballfeld läßt sich eine Menge lernen, was in der Mädchenerziehung oft immer noch vernachlässigt wird: Durchsetzungsvermögen, Kampfgeist, Gewitztheit, schnelle Reaktion, Teamwork.

Was die Qualität des Frauenfußballs betrifft, so sieht das, was die Mädchen oder Frauen auf dem Fußballplatz zustandebringen, oft viel ansehnlicher und eleganter aus als das, was Männer zusammenbolzen. Frauen spielen häufig weniger egoistisch und mehr mannschaftsbezogen. Einen guten Frauenverein zu sehen ist wirklich ein Vergnügen. Sicher gibt es auch bei Frauenvereinen Platzverweise wegen grober Fouls oder Schiedsrichterbeschimpfungen. Der Kampf um den Sieg wird im Großen und Ganzen aber weniger brutal als auf den männlichen Fußball(kriegsschau)plätzen geführt. In der Damenkreisliga Berlin fällt der SV Solidarität etwas aus dem Rahmen. Die Spielerinnen treten meist nicht so uniform auf wie die anderen Frauenschaften - mit durchnummerierten Trikots und einheitlicher Beinkleidung. Es hat bisher nur zu jeweils einem Satz roter und blauer Trikots gereicht - ohne Nummern. Deshalb sind sie in der Fußballszene ein wenig als Lottermannschaft verschrien. Natürlich fehlt es an Geld, aber auch an dem Willen, dem einschlägigen Outfit großen Wert beizulegen. Die Verrufenheit hängt aber auch damit zusammen, daß der übliche Vereinshintergrund fehlt.

Die Kehrseite der Anarchie ist eine gelegentlich nervende Undiszipliniertheit. Die Unlust am Training oder das Verhindertsein durch Berufstätigkeit ist der Grund, warum sich die Frauen vom SV Solidarität oft als Punktelieferantinnen hervortun. Keine der Frauen hegt große sportliche Träume vom Aufstieg in die Oberliga, aber ärgern tun sich alle, wenn wieder mal ein Spiel den Bach runter ging. Die Mannschaft hat zwar ihre kleinen Maradonnas, sie können aber den Mangel an Zusammenspiel und fehlende Kondition nicht wettmachen. Um das Kontingent an trainings und wettkampfwilligen Spielerinnen aufzustocken, werden dringend Frauen gesucht, die montagabends für das Training und ab und zu am Wochenende Zeit für ein Spiel haben. Dabei ist nicht viel Fußballerfahrung notwendig, aber ohne Gefühl für den Ball hat es sicher auch keinen Zweck.

Josefa Wittenberg

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