Nicht verwundert-betr.: "Das fahrlässige Erwürgendes Asylbewerbers J.", taz vom 4.7.88

betr.: „Das fahrlässige Erwürgen des Asylbewerbers J.“,

taz vom 4.7.88

Wer über die von Ihnen geschilderte Praxis der Justiz in einem solchen Fall verwundert ist, lebt wohl noch nicht allzulange in diesem, unserem Lande. Für den genannten Richter schien statt des Strafgesetzbuches eher das Tierschutzgesetz zum Tragen zu kommen, wonach es sich dann auch statt um Mord um eine Sachbeschädigung handelte. (...)

Michael Krüger, Kassel

In den vierziger Jahren stand in einer normalen Tageszeitung in Deutschland: Ein Mann wurde zum Tode verurteilt, weil er ein Brot gestohlen hat.

Damals gehörten bestimmte Menschen nicht zur Gesellschaft. Sie waren Untermenschen. Sie wurden liquidiert. Das Volk hat später nichts gewußt, es war mit seinen Problemen beschäftigt gewesen. Zu diesen Problemen gehörten auch der Haß auf sich selbst und andere und die Denunzianten dieser anderen.

Heute hat sich das Herscherkartell weiterentwickelt: die Waffensysteme werden exportiert, die Kriege finden nicht mehr im eigenen Land statt, die Völker der armgemachten Länder haben unseren Reichtum zu zahlen - blutig.

In den achtziger Jahren steht in Deutschland in einer Tageszeitung: Ein Mann erhält 1,5 Jahre auf Bewährung für die Ermordung eines Menschen, weil der ein paar Lebensmittel gestohlen hat. Bestimmte Menschen gehören nicht zur Gesellschaft. Sie sind Untermenschen. Sie werden faktisch liquidiert. Dazu gehören Menschen aus den Ländern, aus denen unser Volk seinen Reichtum bezieht und seine Waffen hin exportiert. Dazu gehören Menschen, die das blutige Spiel der sozialen materiellen und psychischen Gewalt durchschauen und mehr tun als nur Feierabendreden im trauten Freundeskreis zu halten. Dazu gehören noch - wenige - andere.

Das Volk weiß nichts, es kann „sowieso nichts machen“ beziehungsweise „so schlimm ist es ja nicht“. Es ist mit seinen Problemen beschäftigt, dazu gehören der Konsum, der Haß gegeneinander, Neid, Mißgunst, Langeweile - von den Eltern übertragen, die damals jung waren. Dazu gehört auch das gefährliche Ventil.

Das Urteil des bundesrepublikanischen Richters

1. es belohnt das Verhalten des Angestellten

2. es belohnt die Mentalität, die dahinter steht. Die Mentalität der extremen Verachtung gegen sich selber, die niemals die verantwortlichen Autoritäten trifft, sondern sie in die eigene Persönlichkeit integriert und alle Menschlichkeit abtötet. Das seit Generationen. Verborgen hinter der Maske von Freundlichkeit und scheinbarer Toleranz.

3. es bestätigt die Lynchjustiz

4. so ist das Urteil faschistisch.

E.B.