: Wenn Würmer sterben
■ Um die stillgelegte Giftmüll-Deponie Münchehagen gab es ein Massensterben von Regenwürmern - Gutachter wissen „keine plausible Erklärung“
Für das Regenwürmersterben in der Umgebung der stillgelegten Giftmülldeponie Münchehagen (Landkreis Nienburg) gibt es nach Abschluß der ersten Untersuchungen des Landesamtes für Wasserwirtschaft in Hildesheim keine Erklärungen. Das geht aus Unterlagen des Landesamtes hervor, die der örtlichen Arbeitsgemeinschaft gegen Giftmüll vorliegen. Im März dieses Jahres etwa 1.500 Meter westlich der Deponie plötzlich mehrere hundert Regenwürmer und Käferlarven tot aufgefunden worden. Ein Sprecher der Arbeitsgemeinschaft warf in diesem Zusammenhang der Hildesheimer Wasserbehörde am Sonntag vor, dem hinzugezogenen Gutachter nur unvollständige Meßergebnisse mitgeteilt zu haben.
Außerdem seien die Regenwürmer offenbar absichtlich
nicht auf Deponiegifte untersucht worden, um einen Zusammenhang zwischen unterirdischen Schadstoffaustritten und dem Regerwürmersterben von vornherein auszuschließen, sagte Heinrich Bredemeier. Aus den Unterlagen des Landesamtes für Wasserwirtschaft geht hervor, daß der Düsseldorfer Zellbiologe, Professor Werner Peters, als Gutachter anhand der ihm vorgelegten Meßdaten zu keiner „plausiblen Deutung“ für den massenhaften Tod von Regenwürmern inmitten landwirtschaftlich genutzter Flächen komme.
Die vom Veterinäramt Hannover untersuchten Regenwürmer wiesen einige Pestizide und PCB (Polychlorierte Biphenyle) auf. In den gleichzeitig entnommenen Wasserproben fanden sich dagegen auch etliche Schwermetalle und chlorierte Kohlenwasser
stoffe. „Alles deponietypische Gifte, auf die die Regenwürmer merkwürdigerweise gar nicht erst untersucht wurden, obwohl das so vorgesehen war“, erläuterte Bredemeier, auf dessen Initiative die Untersuchungen zurückgingen.
Verantwortlich für die Untersuchung war seitens des Landesamtes für Wasserwirtschaft, Günter Feist, gleichzeitig langjähriger Münchehagen-Beauftragter der Landesregierung. Die Bürgerinitiativen warfen ihm in der Vergangenheit schon mehrfach vor, Analysen über Schadstoffbelastungen in Münchehagen zurückgehalten zu haben. Auffällig sei doch, so Heinrich Bredemeier, daß Prof. Peters nicht zu möglichen Ursachen für den Tod der Regenwürmer geschrieben habe, sondern vor allem zur Frage, zu welcher Zeit die
Tiere den Boden verlassen haben und welches ihre natürlichen Feinde seien.
In den Augen der Arbeitsgemeinschaft bestätigen die Deponiegifte in den Wasserproben die Befürchtung, daß über unterirdische Klüfte Schadstoffe aus der Deponie sickern und mit dem Grundwasser weitertransportiert werden. In der 1983 stillgelegten Deponie Münchehagen waren über ein Jahrzehnt lang illegal hochgiftige Chemieabfälle abgelagert worden, die beispielsweise auch Dioxine enthalten. In Acker-, Wald -und Wiesenböden in unmittelbarer Umgebung waren Anfang des Jahres in geringen Spuren zahlreiche Gifte nachgewiesen worden. Ein Verbot für die Landwirtschaft besteht nicht. Die Produkte aus der Region sollen jedoch verstärkt überwacht werden. dp
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