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Hör-Funken: Fleckentferner

Fleckentferner. In den europäischen Metropolen, die mit den Industrien des 19.Jahrhunderts zu steinernen Großkörpern anschwollen, haben die rasanten Neuerungen der Produktion und Kommunikation in diesem Jahr hundert riesige industrielle Friedhöfe mitten in den Städten geschaffen: Güterbahnhöfe, auf denen Schienen und Waggons rosten, Industrieviertel, wo Fabrikhallen mit gesplitterten Glasaugen ins Leere starren und davon träumen, noch einmal aus allen Schloten rauchspuckender Mittelpunkt der Welt zu sein. In London lagen die gewaltig an der Themse sich dahinstreckenden Docks lange als Strandgut des Flusses da, wirres Ödland mit bizarren Relikten der imperialen Größe des Mutterschiffs England. Hier greift inzwischen das 21.Jahrhundert zu, die City seiner Zeit hochzuziehen; die eiserne Lady Thatcher schuf mit ihrer rabiaten Politik - die Überreste des 19.Jahrhunderts mitsamt den Opfern des Niedergangs abzuräumen, dafür das neue Kapital, die Yuppies und Raubritter der industriellen Zukunft kräftig zu tätscheln, alles verpackt in Phrasen aus der Bibel und dem 19.Jahrhundert selbst - die Voraussetzungen dazu: Ob Liverpool oder Manchester krepieren, in den Londoner Docks entsteht, erschlossen von einer privatwirschaftlichen Entwicklungsgesellschaft und ohne Eingriffsmöglichkeit des Magistrats von London, die City der Zukunft, Yuppietown, wo die braven Schüler der neuen Lehren ihre Belohnung bekommen und für viel Geld unter sich bleiben dürfen. Albert Wiedenhöfer hat hineingehorcht: „Die City des 21.Jahrhunderts“, 20.05-21.00, Deutschlandfunk.

Historischer Kompromiß. Ungarn in den 80er Jahren: Gespannt wartet die Öffentlichkeit auf das Hauptwerk des weltberühmten Historikers. Ebenso mit Spannung, wenn auch unruhiger und unbehaglicher, sehen politische Kreise, die das Monopol der Geschichtschreibung beanspruchen, einem Kapitel des Buches entgegen. Aber keineswegs tatenlos, sondern emsig aufs Umschreiben des Kapitels hinarbeitend, sogar die junge Frau des alten Historikers einspannend, den historischen Kompromiß zu errreichen. Seltsam nur, daß der Geschichtsschreiber gegen das Umschreiben nichts einzuwenden hat und fleißig bis zum letzten Atemzug glättet. List? Schwäche? Historikereigenart? Resignation? Istvan Eörsi erzählt die Komödie der Geschichte in neun Gesprächen seines Hörspiels „Der Kompromiß“, 20.30-22.00, RIAS 1

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