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Lieb und Leid in Parallelwelten

■ „Julia und Julia“ von Peter Del Monte mit Kathleen Turner und Sting und ordentlich abgeleckten Bildern eines dekoratioven Werbeästhetik-Italien läuft ab heute in der der Schauburg

Filmprojekte werden aus den merkwürdigsten Gründen realisiert. „Julia und Julia“ zum Beispiel ist ein Versuchsballon, mit dem der japanische Elektronikkonzern Sony sein neues Aufnahmenverfahren „High Definition Video System“ das erste Mal in einem Kinofilm testet. Der mit elektronischen Kameras gedrehte Film wird dabei erst nach der Produktion auf 35mm-Film umkopiert. Sofort nach dem Drehen kann dann die Aufnahme überprüft und korrigiert werden. Die optischen Mängel der elektronischen Bilder scheinen mit dem neuen Umkopie-Verfahren überwunden.

Dieses Aushängeschild der neuen Technologie sollte nun eine anspruchsvolle, internationalle Produktion werden - mit vielen imposanten Einstellungen und - möglichst billig. Und so wurde es

dann ein italienischer Film mit amerikanischen Stars, mit einem renomierten Kameramann (Guiseppe Rotunno, der viel mit Visconti und Fellini arbeitete) und einem erfahrenen, aber unbekannten (und deshalb billigen) Regisseur: Peter Del Monte. Für die Japaner ist diese Premiere wohl auch gelungen - „Julia und Julia“ flopte zwar an den Kinokassen, aber an den Bildern hatte kaum einer etwas auszusetzen, „High Definition“ hat bestanden.

Und das Drehbuch ist origineller, als man bei solch einem merkwürdigen Projekt befürchten könnte: Die in Italien lebende Amerikanerin Julia hat nur wenige Stunden nach der Hochzeit ihren Mann bei einem Autounfall verloren. Sechs Jahre später fährt sie mit ihrem Auto durch dichten Nebel und ist plötzlich mitten in einer ganz anderen Realitätsebene. Hier starb ihr Mann gar nicht, sondern lebte die sechs Jahre weiter mit ihr zusammen. Beide haben einen Sohn, und der Alltag in der Alternativwelt geht weiter, als wäre nichts passiert. Julia richtet sich in diesem Leben ein, das für sie viel reicher und glücklicher ist. Aber die andere, die „richtige“ Julia, deren Rolle sie langsam zu beherrschen lernt, hat einen sehr aufdringlichen Liebhaber, der die Idylle zu zerstören droht. Zudem wechselt Julia immer wieder in die erste Welt zurück. Wenn sie morgens aufwacht, weiß sie nicht, ob sie Ehefrau und Mutter oder die einsame Angestellte in einem Reisebüro ist. Nur der Liebhaber Daniel lebt in beiden Welten, nur sein Hotelzimmer sieht immer gleich aus. Nachdem die Ehefrau Julia entschlossen ist, ihn zu töten, um ihr neues Leben zu retten, weiß sie im entscheidenen Moment nicht, in welcher Welt sie gerade ist.

Kathleen Turner spielt die Ju

lia, Sting den Liebhaber, Gabriel Byrne den Ehemann. Die Starbesetzung ist so smart konzipiert wie die ganze Produktion. Ohne die Turner und Sting wäre der Film wahrscheinlich international kaum aufgefallen.Und Kathleen Turner ist glaubwürdig als Julia, die immer in wechselnde Gemütszustände gedrängt wird. Sie ist aber auch leider der einzige wirklich lebendige Mensch in dem Film, alle anderen wirken flach und hölzern. Sting auf der Leinwand bleibt immer nur Sting auf der Leinwand. Seine Hardcorefans können sich zwar freuen und bekommen ihn auch schon einmal ziemlich ausgezogen in einer Bettszene zu sehen, aber eine Filmfigur nimmt man ihm auch diesmal nicht ab.

Der ganze Film wirkt seltsam unentschlossen - als hätte Peter Del Monte nicht so recht gewußt, welchen Vorbildern er folgen sollte. Von der Story her liegt er in der Tradition der Melodramen Hollywoods aus den vierziger Jahren - der „Frauenfilme“ von Douglas Sirk etwa. Aber „Julia“ ist zu distanziert in Szene gesetzt, um tatsächlich die Tränen fließen zu lassen. Die Bilder, in ihrer künstlichen Kühle und dem italienische Ambiente erinnern an Antonioni oder Roegs „Wenn die Gondeln Trauer tragen“, aber es fehlt die persöhnliche Handschrift und das Geheimniss hinter den Bildern. Del Monte inszenierte zu oberflächlich, dekorativ, zu nah an der Ästhetik von Werbefilmen. Das Italien dieses Films ist so unwahrscheinlich aufgeräumt: die Bilder sind viel utopischer als der ganze Plot. Jede Einstellung ist wie abgeleckt - wenn der Zuschauer aus dem Kino kommt, freut er sich schon fast über die Hundescheiße auf dem Fussweg.

Wilfried Hippen

Schauburg, 19 Uhr

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