: Selbstjustiz im Verkehr
■ Zwei Briefe: Ein Radfahrer schreibt, die Stadtreinigung antwortet
Der Vorfall: Ein Wagen der BSR bog vom Moritzplatz in Berlin 61 in die Oranienstraße in Richtung Kochstraße ein und übersah einen Radfahrer, der im Kreisverkehr geradeaus weiterfahren wollte. Dieses „Übersehen“ war offensichtlich beabsichtigt, denn der Radfahrer wurde von der Besatzung des Fahrzeugs (ca. 4 bis 5 Mitarbeiter der BSR) beschimpft und dann bis in die Prinzenstraße verfolgt und dort auf dem Radweg (!) von dem Wagen abgedrängt und gestoppt. Ihre Mitarbeiter wollten offensichtlich handgreiflich werden und der Radfahrer floh zurück zum Moritzplatz.
Hier wurde er weiter verfolgt. Mittlerweile war ich ebenfalls mit dem Rad - hinzugekommen. Währenddessen drohten Ihre Mitarbeiter aus dem Wagen heraus - der nun neben uns hielt - dem Radler Prügel an, angeblich hätte er rote Ampeln mißachtet. Ich hatte den Eindruck, daß nur meine Anwesenheit Schlimmeres verhinderte.
Schließlich fuhr der Wagen weiter, und ich setzte meinen Weg fort. Ich konnte gerade noch sehen, wie Ihre Mitarbeiter mein Davonfahren beobachteten und dann schließlich mit Vollgas wieder in die Prinzenstraße einbogen, dem bedrohten Radfahrer hinterher. (...)
Selbst wenn der Radfahrer - wie von ihrem Mitarbeiter behauptet - Verkehrsregeln mißachtet hat, so wäre dies Sache der Polizei und nicht der BSR. Und schon gar nicht kann man dieses Vergehen damit „ahnden“, indem der vermeintliche Verkehrssünder dann seinerzeit lebensgefährlich behindert und mit Prügel bedroht wird.
Nicht unerheblich scheint mir die Tatsache zu sein, daß es sich hier um einen Radfahrer handelt, denn die sind einer massiven latenten Aggression durch Autofahrer ausgesetzt einfach nur dadurch, daß sie durch ihre Anwesenheit den sogenannten flüssigen Verkehr behindern. Abdrängen, schneiden, anhupen sind an der Tagesordnung. Wenn dann ein solcher auch noch was falsch macht, kennt die Aggression keine Grenzen mehr. (...)
Die Stadtreinigung antwortet:
(...) Wir haben die betreffende Fahrzeugbesatzung zu den von ihnen erhobenen Vorwürfen befragt. Der auch von unseren Beschäftigten bestätigte Sachverhalt, daß in der Prinzenstraße der betreffende Fahrradfahrer durch Querstellen des Fahrzeugs an der Weiterfahrt behindert wurde, hat uns unter anderen dazu veranlaßt, diese nochmals nachdrücklich auf die für Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes bei Auseinandersetzungen mit Dritten gebotene Zurückhaltung hinzuweisen. Dem Fahrer des betreffenden Fahrzeugs wurde darüberhinaus eine andere Tätigkeit zugewiesen und arbeitsrechtliche Maßnahmen veranlaßt. (...) der betreffende Mitarbeiter bedauert sein Verhalten und ist bereit, sich hierfür bei dem uns leider namentlich nicht bekannten Fahrradfahrer zu entschuldigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen