TÜRKENFORSCHUNG

Was denken die Berliner Türken über ihre Prachtausstellung?

-hieß die Frage zwangsläufig. Man sann über Recherchepläne und schickte nach „vor Ort“ aus. Trotz der extra verlängerten Öffnungszeiten und einem Prozentsatz von „30, naja 20 mindestens“ (so einer der 42 Aufsichtsbeamten) türkischen Besuchern des osmanischen Schatzkästchens fand unsere Ausländerbeauftragte Elisa kein Interview-Potential vor.

Uns ging's ähnlich. Zwar konnten wir ein türkisches Pärchen im ansonsten durchweg westdeutschen Bildungsbürgerinnenpulk ausmachen - sie im bestickten weißen Sonntagskopftuch, er im gebügelten Polohemd - aber wir trauten uns nicht, sie anzusprechen, weil wir uns plötzlich blöd dabei vorgekommen wären. (Es sind jedoch wesentlich mehr türkische Besucher da, die wir nicht als solche erkennen, weil sie nicht wie „Türken“ aussehen.) Im Besucherbuch gibt es Eintragungen in türkischer Sprache, die wir nicht lesen konnten, ebensowenig allerdings die kalligraphischen Ziselierungen einer als „fälschungssicher“ konzipierten Eliteschrift für Süleymans Staatsurkunden, in denen die Steuerdelikte und -diplomatien in zierlichen Verschlingungen notiert sind. Das wiederum erfährt man eher zufällig von einem Osmanenforscher, der von einer Stehleiter aus das Dokument, „so eine Art Einkommenssteuererklärung“ abschreibt.

Rechercheschlappen machen hungrig und wir beschließen, beim neu bewirtschafteten Türken in der Manteuffelstraße einzukehren. Die Lammkoteletts sind viele, mager und von guter Würze, der Salat frisch, das Brot geröstet, das Bier eben aus Dortmund, die Behandlung würdevoll, die Rechnung korrekt und der Höhepunkt sind zwei Zahnstocher auf dem Wechselgeld-Silberteller. Während wir stumm vor uns hinpopelnd über Kultur sinnieren, flanieren Väter mit ihren fünfjährigen Söhnen vorbei, passieren samtschultrige Jugendliche und plappernde Feierabendfamilien. Und alle sind Türken, bis auf einige Kurden und Armenier.

Vogel