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Standbild: Ich war dabei

■ "Auf einen Cappucino in die Freiheit" - Psychisch Kranke reisen nach Italien

„Auf einen Cappucino in die Freiheit“ - Psychisch Kranke reisen nach Italien, ZDF, Dienstag 19.30 Uhr. Auf der Höhe der Zeit, zweifellos, wie ZDF-Reporter Heiner Gatzemeier Fragen stellt: „Haben Sie sowas schon mal gesehen?“, „Haben Sie sich das so vorgestellt?“, „Gefällt es Ihnen hier?“. New -age-Journalismus. So fragt man besser nicht mal Guiness -Rekordler, schon gar nicht psychisch kranke Menschen. So führt man sie vor, legt ihnen in den Mund.

Gatzemeiers Team hat eine Gruppe Männer und Frauen aus der Psychiatrie auf ihrer ersten Urlaubsreise nach Italien begleitet. Auf einen Cappucino... Was wohl seine gute Absicht war: darzustellen, daß psychisch Kranke in der heutigen Psychiatrie nicht wie selbständige Menschen behandelt werden. Sie werden versorgt. Sie werden nicht therapiert, sondern medikamentös ruhiggestellt und weggesperrt. 20, 30, 40 Jahre eines Lebens lang. Personal und Ärzte unterschätzen die Patienten, trauen ihnen zuwenig zu. Dieses Fazit legt Gatzemeier einer Krankenschwester in den Mund und führt uns zusätzlich, zur „sinnvollen Einordnung“, wie der Off-Sprecher fast verschämt sagt, die trübe Beton-Drahtglas-Neon-Atmosphäre des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren vor. Zehn Minuten nimmt er sich dafür, aber warum die Zustände so sind, wie sie sind, erfährt der Zuschauer nicht, erfährt nicht, daß Politiker kein Geld raus tun für so unattraktive Menschen: Statt Psychologen, Sozialarbeitern und Pflegern für die Psychatrie, lieber Geld für den neuesten Computertomographen, für die Apparate. Kaum Basisinformationen über die Psychiatrien, dafür erklärt der Off-text ständig nochmal, was die Fernsehbilder zeigen. „Ganz gewöhnliche Menschen könnte man meinen...“ Wir sehen ganz gewöhnliche Menschen im Reisebus Fahrtenlieder absingend.

Es geht los nach Italien. Reporter Gatzemeier hat nicht nur begleitet, er ist dabei gewesen. Am Ufer des Garda-Sees, in der Arena von Verona, auf dem Markus-Platz in Venedig ist er deshalb auch ständig im Bild. Gut gefönt, trägt Sweater, kann ein Mikro halten und den Mitreisenden erklären, was eine Gondel ist und wer Dante war. Ständig Fragen wie „Es ist doch das erste Mal, daß...“ und „Wie fühlen Sie sich jetzt?“ Kurz die Antwort abgewartet. Weiter. Keine Zeit für Geschichten, die Lebensgeschichten, von denen, die als Touristen zum ersten Mal echte Menschen sind, die fast erschlagen vor neuen Eindrücken kaum antworten können. Kamera immer schön von oben, zoologische Perspektive. Die Kamera steht mit herum, sitzt mit am Kaffeetisch. Rundschwenk. Immer wieder Gruppenbilder, Totale und Halbtotale. Keine Zeit für Gesichter.

Am Ende haben wir zusammen mit der Kamera tief in Cappucinitassen geblickt, Heiner Gatzemeier hat jeden der 26 Reisenden nach dem ersten Ritsch-Ratsch-Klick vor altem Gemäuer gefragt: „Ist das das erste Mal...“. Der rote Faden. Und dabei gewesen.

Lotte Fendt, an die siebzig und eine der „kranken“ Reisenden, läuft ständig gefechtsmäßig herum. Kampfanzug, Pioniermütze, Nietenarmband. Der Off-Text erklärt: „Sie hat in ihrem Leben wohl viel kämpfen müssen.“ Verschenkt. Lotte Fendt und ihre Geschichte wären allein ein Porträt wert gewesen. Nach der Reise ist Lotte Fendt die einzige Italienurlauberin, die nicht ins Bezirkskrankenhaus zurückkehrt. Sie zieht in ein Wohnheim außerhalb. Die Kamera zeigt die alte Frau im eigenen Zimmer, voller Freude über die neue Selbständigkeit. Ein entspanntes Lächeln. Und dann doch wieder die unsägliche Frage: „Wie fühlen Sie sich jetzt?“

henk

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