: Rupert Neudeck-betr.: "Humanitäre Hilfe als Sanktionsmittel", taz vom 8.7.88
betr.: „Humanitäre Hilfe als Sanktionsmittel“, taz vom 8.7.88, Seite 3
Da präsentiert ihr jemanden als ernsthaften Gesprächspartner, der davon redet, daß in Kambodscha, Nicaragua, Afghanistan, Angola und Mosambik Befreiungsbewegungen gegen Regierungen kämpfen würden: Die Killer der Contra, die Schlächter der Renamo, die frauenversklavenden Mudjaheddin, all das sollen Befreiungsbewegungen sein? Und wenn mit dieser sauberen Hilfe der Westen die betroffenen Länder im wahrsten Sinn des Wortes kleingekriegt hat, dann soll dieses militärische Rollback des Imperialismus ein „An-einen-Tisch-setzen“ und ein „Miteinander-Reden“ sein?
Frank Wallenstein, Remchingen
Gratulation der taz, die es fertigbringt, einen antikommunistischen Hetzer vom Schlage R. Neudecks mittels Interview auf Seite 3 zu plazieren. Der kann so die blutrünstigen Contras in Äthiopien, Nicaragua, Mosambik, Afghanistan und Angola als Befreiungsbewegungen hochleben lassen, kann die friedliche Abdankung des „Weltkommunismus“ einklagen - in seiner Eigenschaft als Pazifist versteht sich - und kann aber auch der gewaltsamen Abschaffung des Kommunismus die Berechtigung nicht abstreiten - als konsequenter Moralist, versteht sich. (...)
Vielleicht wäre es für eine linke Zeitung angebracht, darauf hinzuweisen, daß auch der Hunger in Äthiopien ein Resultat des Imperialismus ist, die BRD-Nahrungssäcke der dazugehörende Zynismus sind und die Forderung nach einer staatlichen Gnade namens Menschenrechte angesichts der Tatsache eine glatte Unverschämtheit ist.
Wolfgang Richter, Augsburg
(...) Schon im Januar 1988 ließ Neudeck via 'Spiegel‘ mitteilen, die an sich vorgesehene Lieferung von 15 Mercedes -Lastern an Äthiopien könne leider nicht stattfinden, da die Regierung darauf besteht, sie in Risikozonen von Soldaten begleiten zu lassen. Jetzt kommt er in der taz wieder mit der Forderung, die „Hilfe erst einmal sein zu lassen“, so lange sie „militärisch eskortiert“ werde. Das ist wieder mal der ganz normale Rassismus einer ganz normalen westlichen Hilfsorganisation. Nur Weiße pflegen von Schwarzen zu fordern, sie möchten bitte auf ihre staatliche Souveränität verzichten.
Die Schuld an der schlimmen Lage der Menschen in Tigre und Eritrea kann man wirklich nicht nur der äthiopischen Regierung geben, sondern vielleicht doch auch ein wenig den diversen Befreiungsbewegungen im äthiopischen Norden. Jede Regierung der Welt würde Konvois, die durch Aufstandsgebiete rollen, militärisch zu schützen versuchen. Und warum eigentlich sind EPLF und TPLF ausgerechnet zu einem Zeitpunkt in die Offensive gegangen, als die neue Hungersnot begann? Weil sie durchaus die Vorteile sehen, die sich aus einer „Mobilisierung der Weltöffentlichkeit“ in Hungerszeiten ergeben.
Warum wird eigentlich systematisch verschwiegen, daß Äthiopien das einzige Land der Sahel-Region ist, das den Kampf gegen die Verwüstung ernsthaft aufgenommen hat? In Gemeinschaftsarbeit haben Bauern seit der Revolution 1974 schon eine Million Kilometer Terrassen und Gräben gezogen und 500 Millionen Bäume gepflanzt.
Ich habe während der Kaiserzeit als Koordinator einer Hilfsaktion in Addis-Abeba gearbeitet, und es war mir schon lange vor der Revolution klar, daß es mehrere Generationen brauchen würde, das völlig verelendete Land zu sanieren. Die notleidenden Bauern, die sich in den wenigen Jahren seit der Revolution noch gar nicht von jahrhundertelanger Unterdrückung erholen konnten, verdienen unsere menschliche Solidarität. Sie verdienen keine Propheten wie Andre Glucksmann, diesen philosophischen Weltstar des Opportunismus, oder Rupert Neudeck, die jede Hilfe stoppen wollen.
Neudeck will keine Hilfskonvois fahren lassen, weil Soldaten draufsitzen. Er bleibt aber eine Erklärung schuldig, wie er sich denn das Überleben der Menschen in den Kriegszonen vorstellt.
Randolph Braumann, Zürich
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