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Europäisches PCP-Verbot unterlaufen

Bei den EG-Beratungen über das von der Bundesregierung beantragte Verbot von Pentachlorphenol setzte der französische Hersteller entscheidende „Ausnahmen“ durch: ein Lehrstück für EG-Umweltpolitik  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Der europäische Binnenmarkt wird „Schwindelgefühle, Übelkeit und Erbrechen“, sogar „Blutstauungen in der Lunge“ hervorrufen. Denn diese Gesundheitsschäden verursacht das in Holzschutzmitteln enthaltene Umweltgift PCP (Pentachlorphenol) nach einem Attest der Bundesregierung, die die Chemikalie bereits 1987 verbieten wollte. Doch die EG will die Verwendung von PCP weiterhin zulassen: Denn sie tanzt nach der Pfeife des einzigen europäischen PCP -Herstellers, des französischen Chemiekonzerns Rhone -Poulenc.

Als „weitgehend richtig“ bestätigte gestern das Bundesumweltministerium, was die Grünen zuvor auf einer Pressekonferenz enthüllt hatten: Die EG -Expertenverhandlungen über ein von der Bundesregierung beantragtes PCP-Verbot wurden wesentlich von einem Vertreter des staatlichen französischen Chemie-Konzerns beeinflußt. Mit 30.000 Tonnen Jahresproduktion des dioxinhaltigen Holzschutzmittels hält Rhone-Poulenc den Löwenanteil an der weltweiten Herstellung dieser vermutlich krebserregenden Chemikalie.

Die Franzosen setzten sich bei der EG durch: Ergebnis der Verhandlungen ist der Entwurf einer Richtlinie, die Produktion und Verwendung von PCP weiterhin für die Behandlung von Holz und die Imprägnierung schwerer Textilien zuläßt. Diese „Ausnahmen“ umfassen nach Angaben der Grünen 85 Prozent der bisherigen Verwendung und machen die Richtlinie zur Farce. Auch das Umweltministerium will der Richtlinie so nicht zustimmen und drängt auf weitere Verhandlungen im EG-Ministerrat.

Das Tauziehen um das PCP-Verbot zeigt, wie Umweltpolitik europäisch verhindert wird. Nachdem die Produktion der Chemikalie in der BRD bereits eingestellt worden war, beschloß das Kabinett im vergangenen Sommer einen Verordnungsentwurf, der erstmals ein totales (nationales) Verbot für die Verbreitung eines Umweltgifts bedeutet hätte. Die EG griff den Vorschlag auf, verwässerte ihn jedoch. Wenn die Bundesrepublik jetzt trotzdem ihr nationales Verbot in Kraft setzt, muß sie mit einer Klage der EG-Kommission rechnen. Die Grünen forderten gestern diesen nationalen Alleingang, im Umweltministerium ist eine Entscheidung darüber noch nicht gefallen.

Weil „die EG zum Handlanger vordergründiger Wirtschaftsinteressen der Großvergifter verkomme“, forderte die Grünen-Abgeordnete Charlotte Garbe gestern ein mehrjähriges Moratorium vor der Einrichtung des EG -Binnenmarkts. Importe PCP-haltiger Holzkisten, in denen vor allem Obst transportiert wird, dürften nicht mehr geduldet werden; die Lebensmittel müßten an der Grenze auf Dioxingehalt untersucht werden. Da Umweltminister Töpfer das PCP selber zur „Symbolchemikalie“ erhoben habe, sei „mit dem PCP-Verbot die Chemiepolitik der Bundesregierung gescheitert“.

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