Ein Einbruch und seine Folgen

■ Wie ein Zeuge im Gefängnis landet und im polizeilichen Verwechselspiel verlorengeht

Am Anfang stand ein vermeintlicher Einbruch, am Ende standen 750 Mark Geldstrafe und ein Tag im Knast - allerdings für den Zeugen, der als aufmerksamer Bürger den beiden Männern, die in aller Frühe in die Nachbarwohnung einbrechen wollten nicht glaubte, daß sie Zivilpolizisten waren.

Es war im November 1985 als der 51jährige Peter M. früh morgens um 5 von einem lauten Poltern geweckt wird. Er steht auf, läuft in den Treppenflur und sieht vor dem Haus zwei Männer auf der Kühlerhaube eines Autos stehend versuchen, in die Nachbarwohnung im Hochparterre einzusteigen. Die beiden behaupten von der Polizei zu sein, doch Peter M. kommt das komisch vor. Die herbeigerufene Streifenwagen-Besatzung bestätigt: Alles ok., das sind welche von uns.

Kopfschüttelnd kommentiert Peter M. die „Arbeitsweise“ der Zivilbeamten vom Abschnitt Seestraße: „Die Methoden erinnern mich doch sehr an die NS-Zeit.“ Die beiden Zivilbeamten klagten gegen ihn wegen Beleidigung und bekamen durch zwei Instanzen Recht. Peter M. zahlte die Geldstrafe nicht, weil er immer noch auf eine Wiederaufnahme des Verfahrens hoffte.

Am Mittwoch morgen dieser Woche, um 5.30 Uhr, wurden Peter M., seine Frau und seine beiden Kinder (ein und vier Jahre alt) von heftigem Poltern an der Tür und Sturmläuten aus dem Schlaf gerissen. Vor dem Haus parkten zwei Polizei-Bullis und ein Zivilfahrzeug. Peter M. wird zum Haftantritt abgeholt, 25 Tage soll er sitzen.

Zur Festnahme erschienen ausgerechnet die beiden Zivilbeamten, die vor zwei Jahren den Nachbarn heimgesucht und dann Peter M. wegen Beleidigung verklagt hatten. Arme hoch, Beine breit, abtasten von oben bis unten. „Mit Dir werden wir auch noch fertig, Du Sau“, will Peter M. gehört haben, als er mit dem Rücken zu den Beamten am Auto lehnte. Er wird mitgenommen, zum Abschnitt Seestraße.

Frau M. entschließt sich nun doch, die Strafe zu zahlen, um ihrem Mann die Zelle zu ersparen. Sie organisiert einen Babysitter für ihre Kinder, geht zur Post, zahlt die 750 Mark Strafe ein, geht mit der Quittung zum Abschnitt Seestraße.

Die Beamten dort erklären, ihr Mann sei in die Gothaer Straße gebracht worden. Doch dort, so ergab ein Anruf, ist Peter M. nicht angekommen. Es ist inzwischen 13.00 Uhr! Für Frau M. beginnt jetzt ein Verwirrspiel mit - so drängt es sich auf - gezielten Falschinformationen seitens der Polizei.

Jede halbe Stunde ruft sie in der Gothaer Straße an. Ohne Erfolg. Um kurz vor fünf schließlich taucht ein KOB bei ihr auf. „Ihr Mann ist in Tegel“, teilt er Frau M. mit. Frau M. ruft in Tegel an und bekommt keine Auskunft. Datenschutz wird ihr mitgeteilt, außerdem sei die Geschäftsstelle schon geschlossen. „Rufen Sie morgen früh um acht nochmal an.“ Jetzt wendet sich Frau M. an die taz. Mit Hilfe der Justizpressestelle wird Peter M. ausfindig gemacht - nicht in Tegel, sondern in der JVA Moabit. Kurz vor 22 Uhr ist der Mann schließlich „befreit“.

Die Frage an die Polizei, wie es geschehen könne, daß ein Mann einen ganzen Tag „verschwunden“ ist, wurde folgendermaßen beantwortet: Das sei eine Verwechslung gewesen. Es sei die JVA Moabit und nicht, wie der KOB Frau M. mitgeteilt hatte, die JVA Tegel gewesen, in die ihr Mann gebracht worden war. Das komme manchmal vor, wenn zwei Behörden - Justiz und Polizei - zusammenarbeiten müßten....

Was dem Ehepaar M. jedoch nicht aus dem Kopf will ist die Sache mit den Zivilbeamten vom Abschnitt Tegel, von wo die „Verwechslung“ ausging.

Brigitte Fehrle