: Haus okay, work away
■ Punker sanierten Görlitzer Straße 37 zum Schmuckstück / Jetzt sind sie wieder arbeitslos / Und dem Trägerverein droht jetzt die Pleite
Die Sanierung des Punkerhauses Görlitzer Straße 37 in Kreuzberg ist abgeschlossen, die Jugendlichen, die dort wohnen und arbeiteten werden, folglich wieder arbeitslos sein. Der Verein „Jugendwohnen im Kiez“, dem das Haus gehört, und der die jugendlichen Bauhelfer betreute, will das Haus verkaufen.
Begründung: Die Miete ist so niedrig, daß der Verein sonst jährlich 35.000 Mark Defizit machen würde. Grund dafür sind die Förderbedingungen und der Kredit aus Lottomitteln, den der Verein 1984 bekam, um das Haus zu kaufen, und die jetzt von der Miete zurückgezahlt werden müssen. Aber niemand will es haben, weder das CDU-geführte Kreuzberger Grundstücksamt noch eine Wohnungsbaugesellschaft. Wenn niemand das Haus übernimmt, dann, so befürchtet „Jugendwohnen im Kiez“, wird der Verein Konkurs anmelden müssen. Dann wären dessen übrige Projekte, unter anderem zehn Jugendwohngemeinschaften ebenfalls gefährdet.
„So würden wir das nicht nochmal machen!“ war gestern das Fazit der VertreterInnen von „Jugendwohnen im Kiez“ nach jahrelangem Gezerre um die Görlitzer 37. Das Haus wurde, wie viele, 1981 besetzt. Es gehörte der übel beleumundeten Vogel/Braun-Gruppe und war völlig marode. Als 1983 Verhandlungen um Räumung oder Legalisierung anstanden, entschloß sich der Verein, das Haus zu kaufen.
Er wurde zum Vermieter, Arbeitgeber und Sozialarbeiter gleichzeitig, die MitarbeiterInnen schlugen sich mit einem guten Dutzend Beteiligter am Bau herum: Verschiedene Senatsverwaltungen, Arbeitsamt, Bezirksamt, IBA. „Wir wurden von den Punks als verlängerter Arm des Senats gesehen“, so Gunter Fleischmann vom Verein. Die Punks sprachen von „Vernunftehe“, und „profilierungsbedürftigen“ Sozialarbeitern. Trotz allem Ärger - Immer wieder fehlte es an Geld - wurde aus dem Haus nach und nach ein Schmuckstück: 18 Wohnungen und ein Gemeinschaftshaus im Quergebäude für 33 Punks und einige „alte“ Vorderhausmieter wurden modernisiert.
Die Jugendlichen haben jedoch kaum eine Chancen, einen festen Arbeitsplatz zu finden. Ihr Arbeitslosengeld wird nur knapp dem Sozialhilfesatz liegen. Einer Frau verwehrte die Innung trotz mehrjähriger Erfahrung eine Ausbildung als Fliesenlegerin: Frauen dürften das nicht lernen. Keine Behörde ist „richtig zuständig“. Auch die zwar noch zuständige Senatsjugendverwaltung könne nichts tun, erklärte ein zur gestrigen Begehung anwesender Mitarbeiter.
esch
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