Zuckerkrise in Kenia

■ Werksschließung bedroht ganze Region / Illegale Importflut führt zu Rückgang des Zuckerpreises

Kisumu (afp) - Wellington Nyalik lehnt sich über den Tresen des einzigen Gemischtwarenladens der Stadt und fragt mit leiser Stimme, ob er noch anschreiben kann. Der Mann hinter dem Ladentisch gibt ihm keine Chance mehr. Beide sind Opfer der Schließung der Miwani Zuckergesellschaft nahe Kisumu im westlichen Kenia, die unter der Last drückender Schulden Konkurs anmelden mußte. Wenn die ehedem erste Zuckermühle Ostafrikas demnächst endgültig ihre Maschinen abstellt, wird Wellington einer von 1.400 Arbeitern sein, die ihren Hut nehmen und gehen müssen. Die Frage ist bloß: wohin ?

Miwani ist eine Zuckerstadt. Um die 100.000 Menschen in diesem überwiegend ländlichen Teil Kenias sind direkt oder indirekt von der Zuckermühle abhängig. Ihre Schließung wird im Domino-Effekt die gesamte Gemeinde zu Fall bringen. Nicht nur der Gemischtwarenladen steht seit vergangenem September mit einer Million Shilling (55.000 Dollar) in den roten Zahlen, auch das Elektrizitätswerk bleibt abgeschaltet, solange nicht irgendein Gönner die 1,1 Millionen Shilling Schulden bezahlt. Ohne Strom kann das 250-Betten -Krankenhaus, das einzige im weiten Umkreis, nicht mehr seine Aufgabe erfüllen. Die drei Schulen müssen aus Schülermangel schließen, da die meisten Familien aufs Land abgewandert sind, um sich durch Farmarbeit eine Überlebensgrundlage zu schaffen. Die noch ausharrenden Arbeiter müssen die Firmenunterkünfte bis zum 15. August räumen.

Die Miwani-Zuckermühle steht jetzt mitsamt den dazugehörigen Firmengütern zum Verkauf. Konkursverwalter James Birnie schätzt die Schuldensumme auf 180 Millionen Shilling (zehn Millionen Dollar). Ein Käufer müßte 500 Millionen Shilling aufbringen und 30 bis 40 Millionen zusätzlich für Modernisierungsarbeiten aufwenden. Am anderen Ende des Landes, nahe der Küstenstadt Mombasa, geht es der Ramisi-Zuckerfabrik nicht besser: Auch sie hat Konkurs anmelden müssen, 6.000 Vollzeit- oder Gelegenheitsarbeiter müssen entlassen werden. Die beiden Zuckermühlen waren die einzigen, die von privater Hand bewirtschaftet wurden.

Vor zwei Jahren, als die Weltmarktpreise für Zucker deutlich unter den staatlich festgelegten Preisen der Binnenwirtschaft lagen, hatte eine Importflut die hiesige Zuckerindustrie schwer getroffen. 40.000 Tonnen kamen mit regulären Lizenzen ins Land, doch die Dunkelziffer lag viel höher, erläutert Jonathan Masinde, der Leiter der Regierungsstelle für die Zuckerwirtschaft. Das habe zwar nicht unwesentlich zu der schwierigen Lage einiger Mühlen beigetragen, doch insgesamt seien die Zukunftsaussichten der Industrie eher rosig, sagt er: Binnen fünf Jahren sollen zwei Mühlen hinzukommen, dann könnte sogar über den Eigenbedarf hinaus der Exportmarkt beliefert werden.