: Keine spektakuläre Geste aus Warschau
■ Gipfelkonferenz des Warschauer Pakts bringt Natostaaten nicht unter Zugzwang / Einvernehmen über defensive Militärdoktrinen / Genscher lobt Ergebnisse als positiven Beitrag zur Abrüstungsdiskussion
Brüssel/Bonn/Warschau (dpa/ap) - Erleichtert haben NATO -Diplomaten in Brüssel vermerkt, daß die Gipfelkonferenz des Warschauer Paktes, die am Samstag in Warschau zuende ging, nicht die Ankündigung eines sowjetischen Truppenabzuges aus Ungarn brachte. Der öffentlichkeitswirksame Coup, den vor allem das US-Außenministerium befürchtete, hätte im Westen Forderungen nach einem amerikanischen Truppenabbau neuen Aufschwung geben können.
Eher unspektakulär erscheint aus NATO-Sicht, was die Führer der sieben Staaten des Warschauer Paktes vorschlugen. Der Wunsch nach Verhandlungen über konventionelle Stabilität in Europa zwischen dem Atlantik und dem Ural noch in diesem Jahr wird von der NATO geteilt. Einvernehmen herrscht auch darüber, daß die Militärdoktrinen defensiv sein und beide Seiten nicht mehr Waffen als zur Verhinderung eines Angriffs haben sollten.
Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher hat die Ergebnisse der Gipfelkonferenz des Warschauer Paktes als positiven Beitrag zum West-Ost-Verhältnis und zur Abrüstungsdiskussion gewürdigt. Das Warschauer Dokument zur konventionellen Abrüstung bestätige „in der jüngsten Zeit schon deutlich gewordene Annäherungen des Warschauer Paktes an Positionen des westlichen Bündnisses“.
Im Schlußdokument von Warschau wird der NATO vorgeschlagen, bereits vor Ablauf dieses Jahres mit Verhandlungen über den Abbau der konventionellen Rüstung in Europa zu beginnen. Dabei gingen die Gipfelteilnehmer auch auf die Forderungen des Westens ein, sowohl über die Truppenstärken als auch über Waffen zu verhandeln und dabei bestehende Ungleichgewichte zu berücksichtigen.
In einer zweiten Erklärung nahmen die Staatschefs erstmals Stellung zum Zusammenhang zwischen Umwelt und Rüstung. Darin heißt es, daß die Verletzung des natürlichen Gleichgewichts Ausmaße erreicht habe, die die sozialökonomischen Grundlagen der Entwicklung der Menschheit untergraben und sogar deren Existenz bedrohen könnten. Eine der Hauptursachen dieser Entwicklung sei das Wettrüsten, besonders auf atomarem Gebiet. Deshalb seien die Warschauer-Pakt-Staaten der Auffassung, „daß die Lösung der ökologischen Probleme eng mit der Festigung des Friedens und der internationalen Sicherheit sowie der Abrüstung zusammenhängt“. Zur Vertiefung der Zusammenarbeit wird in der Erklärung eine gesamteuropäische Konferenz vorgeschlagen, an der die für den Umweltschutz zuständigen Minister teilnehmen sollen.
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