: Ohne ABM krabbelt nichts mehr
■ Personalnotstand bei selbstorganisierten Kleinkindgruppen / 150 Null- bis Dreijährige ohne Betreuung Arbeitsamt verlängert ABM-Verträge für ErzieherInnen nicht / Arbeitsamtschef : „Sozialbereich abspecken“
Winzige Kinderstühlchen, auf die sich relativ ausgewachsene JournalistInnen zwängen, tobende Blagen im Hintergrund, geschulte ErzieherInnen, die bremische Kleinstkinder zu allerlei Naturholz-Bauklotz-Kunstwerken und Buntpapier -Schnipsel-Reißcollagen animieren - auf all das muß Bremen möglicherweise demnächst verzichten: Mindestens 25 Bremer Krabbel-und Kleinkindgruppen stehen kurz vor dem Ende der pädagogisch betreuten Krabbelei. Bei den ersten wie den „Stadtteilstrolchen“ in Peterswerder, der „Wilden 13“ und den „Vahrer Wichteln“ ist der akute Personalnotstand bereits ausgerufen, bei allen übrigen wird er demnächst erwartet. Schuld: Das Bremer Arbeitsamt, das längst gestellte Anträge auf Verlängerung von ABM-Stellen bis heute nicht bearbeitet hat. Folge: Die bislang per Arbeitsbeschaffungsmaßnahme beschäftigten ErzieherInnen und KinderpflegerInnen kommen nicht mehr, weil ihre Verträge ausgelaufen sind, neue kommen noch nicht, weil ihre Stellen noch nicht bewilligt sind.
Ohne ABM aber läuft bei der Betreuung der jüngsten BremerInnen gar nichts. Ganze 78 Plätze gibt es in staatlich geförderten Kindergruppen für die Null-bis Dreijährigen. Gebraucht würde ein Vielfaches, um allein
nerziehenden Eltern, Berufstäti
gen und Müttern, die wieder arbeiten wollen, die Kinder wenigstens für ein paar Stunden täglich auf beruhigende Weise vom Hals zu schaffen. Mit Improvisationstalent, täglichem Kochdienst, selbstgemieteten Räumen und selbstgekauftem pädagogisch wertvollem Spielzeug haben viele Eltern aus der Not eine Tugend gemacht, Vereine gegründet und ihre Krabbelgruppe selbst organisiert. In fast allen wurde zumindest für eine der beiden von der staatlichen Heimaufsicht (die sich ansonsten herzlich wenig um die Betreuung der kleinsten Bremer zu kümmern scheint) vorgeschriebenen ErzieherInnen eine ABM-Stelle beantragt. In vergangenen Jahren fast immer mit Erfolg.
Damit scheint jetzt Schluß zu sein, befürchtet zumindest Gabi Kayser vom „Verbund der Bremer Krabbel-und Kleinkindgruppen“. Mindestens sechs ABM-Verlängerungsanträge schmoren seit Wochen beim Bremer Arbeitsamt. Angeblich stehen dort neue Richtlinien für die Vergabe von ABM-Stellen ins Haus, die die ABM-Förderung von Kleinkindbetreuung ausschließen sollen.
Arbeitsamts-Chef Ernst Domino bestätigte gestern die „mißliche Lage“ seines Amtes, die seit Wochen zu „Klagen an allen Ecken und Kanten“ führe: In der Tat gebe es eine neue Verordnung
zur Vergabe von ABM-Stellen. Was hingegen bis heute fehle sei die entsprechende „Durchführungsbestimmung“, aus der alle Arbeitsamts-MitarbeiterInnen in allen Bundesländern erfahren sollen, was die Nürnberger Arbeitsamts-Herren sich bei der neuen Verordnung eigentlich gedacht haben. Bis die vorliegt, würden in Bremen nur ABM-Anträge entschieden, bei denen die Rechtslage - mit und ohne neue Verord
nung - völlig eindeutig sei.
Die Betreuung von Kleinstkindgruppen gehört nicht zu diesen Fällen. Denn möglicherweise gilt gerade ihnen die von der Nürnberger Bundesanstalt angestrebte Umsteuerung im ABM -Bereich: Weg von der „Selbstbedienung“ (Domino) von sozial -und kulturpolitischen Projekten, hin zu mehr Förderung im kaufmännischen und gewerblich-technischen Bereich. Wenn
vermutlich im August - die Würfel im Arbeitsamt fallen, könnte es lange Gesichter nicht nur bei den Eltern -Initiativen geben, sondern auch bei Sozialsenator Henning Scherf: Wenn das Arbeitsamt keine ABM-Mittel mehr zur Verfügung stellt, weiß man in Scherfs Behörde auch nicht weiter: „Bei uns gibt es für diesen Fall keine Konzepte. Wir können auch nur auf das Arbeitsamt hoffen.“
K.S.
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