: Freude durch Leistung
■ Am Horizont das Glück, So., 17.7., ARD
Corporate Identity, kurz Ssieh Ei. Zu Zeiten von Zigarre, Weste und Hosenträger hieß das Unternehmensphilosophie. Heute verkauft ein halbes Dutzend Kommunikations-Experten angeschlagenen deutschen Unternehmen das einheitliche Outfit für den Markt und stiftet nach Innen den Mitarbeitern Sinn. Die gedrechselte Ansage verheißt nichts Gutes („Halt und Orientierung in den 80er Jahren“), und die ersten Bilder sind matt: Pantomimen mimen Verzweiflung, menschliches Ameisengewirr, Off-Text: „Babels Sprachverwirrung“, sogar das geistliche Überangebot hiesiger Kirchentage muß herhalten zur Verdeutlichung der Sinnkrise. Schnitt.
1921: 500 Jahre deutsches Handwerk. Im Stummfilm wetzen brave Handwerksmeister zwecks Demonstration ihrer Qualitäten durch die Straßen. Der Niedergang des Handwerks ist der Niedergang der Einheit von Familje, Aabeit und Freizeit. Schnitt.
Stahlblöcke zischen und sprühen, Kruppianer, die begeistern sich noch für ihr „heroisches Produkt“, den Stahl. Die identifizieren sich noch mit ihrem Rüstungsunternehmen. Zusammengeschweißt. Schnitt.
Jetztzeit. Die Gebrüder Glunz, Holzhackerbuben, haben sich ein Holz-Imperium zusammengekauft, von der Spanplatte bis zum Fertighaus. Sie wollen an die Börse, und da brauchts ein einheitliches Image. Ihr C.I.-Berater heißt Roman Antonoff, ein barocker Pfeifenkopf mit Künstlerfrisur. Ab jetzt beginnen die Bilder zu entlarven. Antonoff bespricht das Design der neuen Aktie: „Da müßte noch mehr Gelb-Identität rein“, rollt hinter kleiner Lesebrille wichtig mit den Augen. Ganz Zeremonienmeister, enthüllt er den Mitarbeitern bei nächtlichem Fackelschein das neue Firmenemblem. „Sehen Sie, das sind Sie.“ Gelbe Aktien, gelbe Lastwagen, gelbe Arbeiter. „Ich verkaufe den Unternehmen eine Religion“, sagt Antonoff. Schnitt.
Antonoff-Kollege Bruno Keyselitz predigt die Überwindung des Chaos und verehrt Ludwig XV. Der hatte noch Stil. Zur Abschreckung zeigt Keyselitz ein Dia vom Helmut Schmidt in kurzen Hosen. Ob wir denn von so einem in Krisenzeiten regiert werden wollten... Schnitt.
Die Blutfahne der Nazis. Fahnen aus allen Gauen werden an ihr geweiht. Die große Gemeinschaft ist angetreten, das „heroische Produkt“ aus Braunau zu bejubeln, die Arme fliegen. Identitätsstiftendes Logo: das vierfach abgeknickte Kreuz. Off-Text: „Der europäische Faschismus hatte zweifellos die beste C.I. aller Zeiten.“ Das sieht man an den Nachfolgern. Beim Ausschnitt aus dem Siemens-Werbefilm, der im Stil einer Sondermeldung die Gemeinschaft der Aufbauer preist. Bei den Co-op-Managern, die ihre 40.000 Getreuen per Bild-Zeitungs-Anzeige „ansprechen“, den Filialleitern Berater aufs Fell schicken („Die Kartoffelsituation besser gestalten“). Bei Lufthansa-Ruhnke, der die Kulturrevolution fürs Bodenpersonal fordert, mehr Menschlichkeit, kein bolschewistisches „Kontrolle ist besser“. Böser Lenin, guter Gorbi.
Da sitzen sie mit ihren New-Age-Gurus in die Polster gequetscht und reden ganz esoterisch von der „Umwertung der Ressource Mensch“. Mit ihnen zieht Die Neue Zeit, der gemeinsame Markt, der freie Himmel, die Konzentration. Wo der Umsatz stagniert, werden die Emotionen der Mitarbeiter erschlossen, ihr Privatleben „einbezogen“. Bei „Gore“, dem Hersteller „heroisch“ dichter Regenjacken, ist die Umwertung der Arbeitsstätte zum Ashram vollständig gelungen. Alle fühlen sich wohl, kontrollieren sich gegenseitig und bescheinigen sich ihre Freiheit. „Hier strengen sich alle automatisch an“, sagt eine. Und der Deutschland-Chef klont schon im Geiste und wünscht sich „Mitarbeiter, die alle den gleichen genetischen Code haben“. Alles ist toll. Von wegen Am Wochenende gehört Papi mir. Da macht Papi auch in Firma. Wildwasserfahrt und anschließender Fackelzug.
Ein gutes Stück Fernsehn, nur die Sendezeit stimmte nicht ganz: Zwischen 23 und Null Uhr liegt der motivierte Mitarbeiter bereits im Bett und freut sich auf acht Stunden Kraft durch Leistung.
henk
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