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Nach acht Jahren technisch k.o.

■ Die jüngsten Niederlagen im Golfkrieg haben das Regime in Teheran zum Waffenstillstand gezwungen

Die Anerkennung der Resolution 598 des UNO-Sicherheitsrates durch die Teheraner Regierung kommt zu einem Zeitpunkt, da zwei Hauptforderungen der Entschließung seit letzten Samstag nahezu schon erfüllt sind. Als Voraussetzung für die Aufnahme von Friedensverhandlungen in dem seit acht Jahren nie formell erklärten Krieg setzte der Weltsicherheitsrat im Juli 1987 die Einstellung von Kampfhandlungen und den Truppenrückzug vom Territorium des jeweiligen Kriegsgegners fest. Seit letzten Samstag sind diese beiden Bedingungen faktisch erfüllt, nachdem der Irak seine militärischen Erfolge der vergangenen Monate mit der Eroberung der Stadt Halabja im Norden des Irak und der südlichen Grenzregion Zoubeidat krönen konnte.

Die iranischen Besatzungstruppen hatten sich unter großen Verlusten, die auch in Teheran nicht bestritten worden waren, ohne viel Widerstand zurückgezogen. Im Süden der 1.200 km langen Front waren daraufhin am Donnerstag voriger Woche irakische Truppen bis zu 50 km tief auf iranisches Gebiet vorgestoßen. Stolz konnte sich Bagdads Machthaber Saddam Hussein am Sonntag, dem 20.Jahrestag der Machtergreifung seiner Baath-Partei, der Welt als momentaner Sieger präsentieren. Seiner Aufforderung an Teheran, Friedensverhandlungen aufzunehmen, verlieh er mit einer ungewöhnlichen Geste Nachdruck: Er ließ seine Truppen aus den gerade besetzten iranischen Territorien abziehen. Damit war zum ersten Mal in der Geschichte des Golfkrieges der militärische Status quo ante wiederhergestellt: Niemand hielt Gebiete des anderen besetzt, niemand befand sich in der Offensive. Beide Seiten besitzen etwa gleich viele Kriegsgefangene als Unterpfand, und beide haben die jeweilige Exil-Opposition des anderen Landes an die Leine gelegt. Teheran rief die mit ihm verbündeten kurdischen Verbände von der Front zurück, und Bagdad ließ die Volksmujahedin nicht zu weit in „befreites“ Heimatland vordringen.

Die Antwort aus Teheran ließ keine 24 Stunden auf sich warten. Der neue starke Mann des Iran, Parlamentssprecher und Oberkommandierender der vereinigten Streitkräfte, Hojatoleslam Rafsanjani, rief am Sonntag die politische Führung des Landes zusammen, und man beschloß, in Anwesenheit Ahmed Khomeinis, Sohn des Imam und Vertreter von dessen kriegstreiberischer Linie, die UNO-Resolution 598 anzunehmen. Im Gegensatz zum Irak, der die Entschließung 1987 sofort akzeptiert hatte, bestand Iran bisher darauf, vor jeden Verhandlungen die Kriegsschuld des Irak festzustellen. Der alte Mann in der Heiligen Stadt Gom hatte seit dem Einfall irakischer Truppen in die südliche Provinz Choramshar vor mehr als acht Jahren auf der Bestrafung Saddam Husseins bestanden. Daran änderte auch das rapide wachsende Defizit in der iranischen Staatskasse nichts, das in diesem Jahr 25 Milliarden Dollar erreicht. In den letzten Jahren wurden jeweils für 20 Milliarden Dollar Waffen eingekauft, die Wirtschaft des Landes brach nahezu zusammen, vor allem infolge der ständigen Bombardierung der Ölanlagen durch die irakische Luftwaffe. Mit dem fallenden Ölpreis seit 1985, dem Rückgang der Förderung und der Niedrigpreispolitik Saudi-Arabiens ist der Krieg für den Iran unbezahlbar geworden.

Hinzu kommt die außenpolitische Isolierung des Landes. Im Gegensatz zum Irak, der von den arabischen Ölstaaten kräftig unterstützt wird und zudem immer deutlicher auf die Hilfe der USA zählen konnte, hat Teheran kaum Freunde. Wie sehr diese prekäre Lage den Mullahs auf den Nägeln brannte, zeigt der schwungvolle Machtanstieg Rafsanjanis. Er ist der Mann, der hinter dem Bemühen um Ausgleich mit den westlichen Industriestaaten steht. Er verhandelte erfolgreich mit Frankreich über die Rückzahlung eines Milliardenkredits aus den siebziger Jahren, und ihm gelang es innerhalb weniger Wochen nach seiner Einsetzung als Oberbefehlshaber, in der vereinigten Führung der Streitkräfte auch die Revolutionswächter hinter sich zu bringen. Noch am Tag des Abschusses der iranischen Passagiermaschine durch die USS -Vincennes im Golf warnte Rafsanjani seine Kollegen in der Führung der Islamischen Republik vor schnellen Gegenschlägen auf die Amerikaner. Die „Welle der Sympathie für die Opfer des großen Satans“ müsse in einen politischen Vorteil umgemünzt werden und der Stellung Teherans in der Weltöffentlichkeit dienen.

Eine Verurteilung der USA durch den Sicherheitsrat könnte den Gesichtsverlust zum Teil wettmachen, den lange propagierten Einzug der Revolutionswächter in Bagdad nun doch nicht erleben zu können. Die Marschroute hatte Rafsanjani vor drei Wochen ausgegeben: „Wir haben die Möglichkeit einer nicht-militärischen Lösung offengelassen“, antwortete er auf Angriffe aus den eigenen Reihen gegen seinen Außenminister Velayati, der seit einiger Zeit in Gesprächen mit UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar über neue Schritte zum Waffenstillstand verhandelte. Die von diesen beiden vereinbarte „Kommission zur Bennenung des Aggressors“ kann, so meinen die Iraner, die Friedensverhandlungen ersetzen - ohne daß die Kernfrage nach der Kriegsschuld von der Tagesordnung verschwindet.

Die Aussicht auf ein Ende des Blutvergießens hat Rafsanjani innenpolitisch populär und es ihm möglich gemacht, den Krieg faktisch zu beenden und gleichzeitig die Mobilisierung der Bevölkerung für die Kriegsdiktatur der Ayatollahs fortzusetzen. Die Verhandlungen über die Kriegsschuld-Frage lassen sich lange, womöglich über Jahre, hinzögern. Und so lange wird weder ein formaler Frieden noch die Demobilisierung der Streitkräfte das Regime in Teheran vor die ungewohnte Aufgabe stellen, die „weiterhin gültigen Ziele der islamischen Revolution“ unter „normalen“ Bedingungen auf die Probe zu stellen.

Thomas Reuter

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