: Bankeigene Geschäfte: Betrug am Kunden
■ Wie der Filialleiter einer Bank seinen Kunden betrügt und ihm ein Grundstück hinterlistig abnimmt / Zehn Jahre brauchte die Justiz, um Anklage zu erheben / Ermittlungen wurden immer wieder eingestellt, der neunte Staatsanwalt ist inzwischen mit dem Fall befaßt
Der ehemalige Leiter einer Filiale der Bank für Handel und Industrie (BHI) hat etwas getan, was ein Banker niemals darf. Er nutzte seine Informationen aus und schnappte einem Kunden ein fettes Grundstück in Ratzeburg mit Tricks und Hinhaltetaktik vor der Nase weg. Nach zehn Jahren endlich und nachdem das Verfahren dreimal eingestellt worden war, steht der Banker nächste Woche wegen Betrugs vor Gericht.
Der Geschäftsmann Horst Sch. entschloß sich im Frühjahr 1978, ein Grundstück in der Nähe von Ratzeburg zu kaufen. Auf dem 50.000 qm großen Gelände mit einem See und einer Wassermühle sollte ein Feriendorf für finanzschwache Berliner Familien entstehen. Herr Sch. ist alleinstehend ohne Kinder. Er ist, wie er selbst von sich sagt, „sozial eingestellt“ und wollte mit dem Feriendorf kein Geld verdienen, sondern es einer Stiftung übergeben. Über den Kaufpreis war er sich mit der Frankfurter Besitzerin einig: 640.000 Mark. Den Kredit beantragte er bei der BHI.
Für den damaligen Filialleiter T. der Bank am Hagenplatz war das gar kein Problem, zumal das Grundstück eine Wertschätzung von 1,5 Millionen hatte. Herr Sch. flog gemeinsam mit seinem Partner nach Frankfurt, unterzeichnete den Kaufvertrag, zahlte 10.000 Mark Notariatskosten. Am 30.6.1978 wollte die Bank 640.000 Mark auf ein Notariatskonto überweisen. Allein das Konto blieb leer.
Auf Nachfragen bedauerte Filialleiter T. Es gebe da noch „Schwierigkeiten“. Herr Sch. sollte eine Lebensversicherung abschließen. Aber auch danach blieb das Geld aus. Inzwischen waren bereits die 40 vollständig eingerichteten Containerhäuser für das neue Feriendorf in Bremerhaven eingetroffen. Kosten: Pro Stück 25.000 Mark. Es gebe weitere Schwierigkeiten, hieß es von seiten der Bank, die jetzt noch eine Bürgschaft verlangte. Aber auch nachdem die Bürgschaft vorlag, überwies Filialleiter T. kein Geld.
Der Besitzerin des Grundstückes wurde es jetzt zu dumm. Nachdem sie Wochen auf ihr Geld gewartet hatte, ließ sie den Kaufvertrag mit Herrn Sch. platzen. Doch schon 24 Stunden später hatte das Seegrundstück in Ratzeburg einen neuen Eigentümer: Herr T., Filialleiter der BHI am Hagenplatz.
Mit einem 400.000 Mark-Kredit von zwei Westdeutschen Banken zahlte er das Grundstück an, den Rest sollte die Besitzerin später erhalten. Unmittelbar darauf wurde das Grundstück über einen Berliner Makler angeboten. Kosten: 1,5 Millionen. Indes, der Banker hatte sich verrechnet, vielleicht aber war's auch Berechnung. Das Grundstück wollte keiner kaufen, da es nicht zur Wohnbebauung freigegeben war. Filialleiter T. konnte die Zinsen seiner Kredite nicht zahlen und es kam zur Zwangsversteigerung. Und - wie das häufig ist, wenn Banken zwangsversteigern - der Hammer fiel just bei der Summe, die die Bank zufriedenstellte, bei 400.000 Mark. Die Frankfurter Besitzerin guckte in die Röhre.
Der neue Besitzer allerdings ist mit Filialleiter T. gut bekannt, die beiden sind inzwischen Geschäftspartner.
Als Horst Sch., damals 52 und Geschäftsführer einer kleinen Firma, die Stempel herstellte, von den Machenschaften erfuhr und sich an die Bankenaufsicht wandte, wurde der Filialleiter entlassen. Für die BHI war das Thema damit erledigt. Es hatte sich herausgestellt, daß weder der Kreditantrag des Herrn Sch. noch die Lebensversicherung und die Bürgschaft jemals die Bankzentrale erreicht hatten. Die Unterlagen waren alle im Schreibtisch des Fortsetzung auf Seite 18
FORTSETZUNG VON SEITE 17
Filialleiters verschwunden. Eine Strafanzeige führte zu Ermittlungen, die kurz darauf eingestellt wurden. Herr Sch. begann selbst zu recherchieren. Noch zweimal wurde das Verfahren eröffnet und jedesmal wieder eingestellt. Etliche Anwälte hat er inzwischen mit dem Fall beschäftigt, der so viel Geld verschlang, daß darüber seine Stempelfirma Konkurs ging. Herr Sch. lebt heute von der Sozialhilfe.
Heute endlich, nach 10 Jahren schaffte er es, daß der Staatsanwalt Anklage erhebt. „Staatsanwalt Nummer neun“, nennt er ihn sarkastisch, der neunte Staatsanwalt, der sich mit seinem „Fall“ beschäftigt.
bf
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen