: Keine Gnade - trotz guter Führung
■ Für ausländische Inhaftierte gibt es keine Rehabilitationsmaßnahmen und Haftlockerungen / Drogensüchtige werden abgeschoben und müssen dann selbst sehen, wie sie mit dem Leben fertig werden / Justizsprecher Kähne: „Eine absurde Situation“
Hasan therapiert seine Heroinsucht mit Haschisch und Sport. Der Tag im Gefängnis beginnt für den 28jährigen Türken mit einem Joint auf dem Klo. „Haschisch beruhigt mich. Es fällt mir dann nicht mehr so schwer, mitanzusehen, wie die anderen Heroin nehmen.“ Am späten Nachmittag in seiner etwa sechs Quadratmeter großen Zelle treibt er 45 Minuten lang Kraftsport. Dazu hat er zwei Kanister mit Wasser gefüllt, die ihm als Hanteln dienen. Fürs Gewichtheben verbindet er beide Kanister mit einem Besenstiel.
Hasans Eigentherapie hat dazu geführt, daß er inzwischen zehn Kilo zugenommen hat und recht muskulös aussieht. Am Tag seiner Festnahme war er abgemagert und wog 58 Kilo. Noch immer kommt Hasan nicht ohne Heroin aus. „Hier in der Anstalt ist es schlimmer als draußen. Alle nehmen Heroin. Es kommt über die Beamten herein. Wenn ich dann an den Augen der Leute sehe, daß sie Heroin genommen haben, will ich auch Heroin.“ Mindestens einmal im Monat krampft sich sein Magen unter den Entzugserscheinungen so schmerzhaft zusammen, daß er seiner Sucht erliegt.
Hasan will eine Therapie machen. Weil er aber Ausländer ist, wird er nach der Zeit im Knast abgeschoben. Deshalb kommt er nicht in den Genuß von Vollzugslockerungen, wie Hafturlaub, Ausgang oder offener Vollzug und Rehabilitationsmaßnahmen. Diese sind jedoch die Voraussetzung für eine Entzugstherapie. Normalerweise bedeutet das, daß man nur einen Teil der Strafe im Knast verbüßt, und den Rest verbringt man zur Therapie in einer der Berliner Einrichtungen für Drogenabhängige.
Der Senat fürchtet, daß ausländische Straftäter, die abgeschoben werden sollen, auf diese Weise die Chance bekommen zu flüchten und sich zu verstecken. So können ausländische Straftäter nicht einmal im Knast an den vorbereitenden Maßnahmen in der Sozialtherapeutischen Anstalt und in der Station für behandlungswillige Drogenabhängige teilnehmen. Ausländische Inhaftierte sind somit, so Justizpressesprecher Kähne, „in einer absurden Situation“. Von allen Eingesperrten ist ihre Lage die schlimmste. Abgesehen davon, daß ihnen keine Hafterleichterungen vergönnt sind, warten sie auf den Tag ihrer Abschiebung nach der Entlassung, an dem sie ins Ungewisse geschickt werden, egal ob sie hier ihre Familie, ihre Frau oder ihre Kinder haben. „Gegen diese Regelungen haben wir schon oft protestiert“, sagt der Landesdrogenbeauftragte Penkert. „Diese Menschen sind in unserer Gesellschaft straftätig, beziehungsweise drogenabhängig, geworden. Da können wir sie doch nicht einfach abschieben. Es ist vielmehr unsere Aufgabe, ihnen zu helfen, daß sie da wieder herauskommen.“
In einem Brief an die Staatsanwältin schrieb Hasan: „Ich bin seit 1971 in Berlin, habe hier doppelt so lang gelebt wie in meiner Heimat. Ich habe meine Eltern und meinen Sohn hier und möchte immer bei ihnen sein. Ich habe hier die Grundschule besucht und den Hauptschulabschluß gemacht. Habe mehr deutsche Kultur als türkische in mir ...“
Mit 15 begann Hasan zu kiffen, seit seinem 21.Lebensjahr snieft er Heroin. Erst nur ein paar Mal, dann lange Zeit überhaupt nicht und schließlich die vier Jahre bis zu seiner Festnahme zweimal täglich. In dieser Zeit war er laufend arbeitslos. „Das liegt an meinem türkischen Namen“, sagt er trocken. Früher arbeitete er als Hilfsarbeiter in einer Fabrik. Da lernte er auch seine deutsche Freundin kennen, die er später heiratete und mit der er einen fast drei Jahre alten Sohn hat. Sie hielt seine Drogensucht jedoch nicht aus und trennte sich kurz vor seiner Verhaftung von ihm. Während er im Knast saß, ließ sie sich von ihm scheiden. „Ich bin dreckige Wege gegangen“, sagt Hasan selbst und meint damit den BTM-Handel, der ihn ins Gefängnis gebracht hat. „Eigentlich fand ich es nicht schlimm, 30 Monate zu bekommen. Ich dachte damals noch, daß ich nach sechs Monaten genau wie die Deutschen eine Therapie gegen Drogen machen kann.“ Von Synanon hatte Hasan sogar einen Platz zugesagt bekommen. Parallel erhielt er jedoch den Ausweisungsbescheid. In dem Brief von Synanon an Hasan steht: „Du brauchst nichts mitzubringen, alles was du brauchst, erhältst du von uns.“ Die erforderliche Aufenthaltserlaubnis erhält er dort nicht.
Elisa Klapheck
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