: Hör-Funken: An der Sex-Front / Fluch der Künstler
An der Sex-Front. „Das verdorbene Geschäft“ heißt die Reportage, die über das Sexmilieu in einer Zeit berichtet, da die Menschheit nicht mehr vom Teufel, sondern von Aids, und, sofern sie in Bayern ansässig ist, zusätzlich von Herrn Gauweiler geritten wird. Trotz des eher graue Zeiten für alle Profiteure der Industrie frustrierter Lüste ausmalenden Titels kommt die Reportage aus den Pils-Bars mit Damenunterhaltung, vom Straßenstrich, aus Porno-Bars, Sex -Shops und Peep-Shows - Nürnberg ist ihr Revier - zum Ergebnis, daß nichts „die roten Lichter der Sperrbezirke“ hat löschen können, nicht einmal der weltbekannte Virus, der teils zur Hochkonjunktur für Kondome, teils zur Wiederauferstehung diverser Lebenslügen führte, die genausogut auch vom Heiligen Stuhl gefallen sein könnten. Offenbar, entdeckt die Reportage, wird sogar das tödliche Risiko dem Sex-Geschäft als Quell neuer Profite integriert. Mehr oder weniger abgerundet wird der Blick ins Aids -Zeitalter durch Töne aus der Prostituierten -Selbsthilfegruppe „Kassandra“, die Ausstiegshilfen und Angstbewältigung zu bieten versucht. Sonnabend, 1900-1930, Bayern.
Fluch der Künstler. Eine Revue des Lampenfiebers: Magenkrämpfe, Fieberanfälle, Kreislaufbeschwerden und Brechreiz, alles das also, was zum richtigen Show-Business gehört, sei es als Plage der Akteure, sei es als Wirkung aufs Publikum: Carmen Winklmüller hat's zusammengetragen und erzählt Geschichten aus der großen Unterhaltungswelt. Etwa, daß für den Dompteur der berühmten weißen Tiger Lampenfieber tödlich sein könnte; wie der Schauspieler Knut H. pünktlich um 19 Uhr auch ohne Vorstellung sich in Krämpfen wand; daß Gustaf Gründgens sich halb ohnmächtig in den Bühnenvorhang krallte und regelrecht herausgeschnitten werden mußte, um zum Faust-Spielen gebracht zu werden; daß Maria Callas ihre Stimme bei den ersten Tönen nur leicht belegt in die Opernhäuser entweichen ließ; ja, und daß Peter Alexander, wo wir schon in den Höhen der Kulturgeschichte angekommen sind, vor jedem Auftritt Selbstmordgedanken hegt. Mancher wird bedauern, daß er sie nie in die Tat umsetzte, aber das ist nun wirklich Geschmackssache. Sonntag, 2103-2200, Bayern1.
up
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen