: „Bitte nicht so durchsichtig eigennützig“
■ Rolf München, Vorstandsmitglied der Bremer „Aktionskonferenz Nordsee“ kritisiert die Menschenketten-Aktionen
taz: Ihr habt erklärt, die Menschenketten-Aktionen an der Nordsee wären „nicht zeitgemäß“. Gleichzeitig wollt Ihr in Bonn eine Petition einreichen. Ist das zeitgemäßer?
Rolf München: Zeitgemäßer insofern, als es unserer Auffassung nach jetzt darum gehen muß, auf allen nur denkbaren Ebenen unmittelbaren politischen Druck zu erzeugen. Dafür gibt es im wesentlichen zwei Hebel. Das eine ist die unmittelbare Einbindung der Parlamente, damit dort Beschlüsse gefaßt werden, die eine Umstellung unserer umweltgefährdenden Produktion ermöglichen und erzwingen. Und das zweite ist: dort, wo die Parlamente schon in der Vergangenheit nicht funktioniert haben, den unmittelbaren Druck über Verbraucher und Gewerkschaften zu organisieren, vor Industriebetrieben und Klärwerken, vor Agrargenossenschaften, Verbrauchermärkten.
Das beantwortet nicht die Frage: Ist eine Petition zeitgemäßer als eine Menschenkette?
Was heute passiert ist, ist eine groß angelegte Demonstration und Kundgebung an der Nordseeküste. Die Nordsee ist aber das Opfer. Es ist meines Erachtens nicht ganz zeitgemäß und nicht ganz sinnvoll, vor dem Opfer zu demonstrieren.
Aber die Touristen sind nun mal gerade an der See und die Tourismus-Manager, die Ihr angreift, auch. Warum sollen die erst nach Bonn fahren, um zu demonstrieren?
Es hat schon viele Kundgebungen, Demonstrationen, Konferenzen, Gutachten, Forderungskataloge in den vergangenen Jahren zum Nordseeschutz gegeben. Die Tourismus -Manager Schleswig-Holsteins, die sich jetzt aus dem Fenster hängen, haben sich in den vergangenen Jahren häufig und oft sehr scharf von diesen Forderungskatalogen und Gutachten distanziert.
Und dafür nehmt Ihr jetzt Rache?
Nein, nein. Es geht darum, daß die Zeit von Gutachten und Forderungskatalogen und von Versammlungen an der Nordsee vorbei ist. Jetzt braucht es politischen Druck gegen die Verursacher im Binnenland.
Habt Ihr dazu mal aufgerufen?
Wir haben im Juni zu einem solchen Aktionstag aufgerufen.
Hat daran jemand teilgenommen?
Es hat einzelne Aktionen gegeben, aber die waren durch die beginnende Urlaubszeit eingeschränkt.
Warum sollen also die Urlauber nicht demonstrieren dürfen, wo sie gerade sind: an der See?
Das mag ein schönes Medienspektakel sein, aber politisch bringt es wenig. Es wird seit Wochen im gesamten Bundesgebiet mobilisiert, an diesem Wochenende nach Schleswig-Holstein zu fahren. Das halten wir für verschenkte Energie.
Und die Tourismus-Manager wollt Ihr bei Euren Aktionen nicht dabei haben?
Dabei haben gerne, aber bitteschön nicht so durchsichtig eigennützig. Es ist natürlich fürs Tourismus-Geschäft ein gutes Sahnetöpfchen, wenn sich an der See Tausende versammeln. Der eine oder andere wird dort auch übernachten, verzehren müssen sie auch was. Es ist ein bißchen zu durchsichtig vor dem Hintergrund dessen, daß die Politik des Fremdenverkehrs-Verbandes in der Vergangenheit alles andere als umweltverträglich gewesen ist.
Fragen: Dirk Asendorpf
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