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Über den Berg

■ Streikende in Armenien - Sieg für Perestroika?

Jetzt hat mir Armenien den Dolch in den Rücken gestoßen“, soll Gorbatschow der armenischen Delegation im April gesagt haben, die mit ihm über den Anschluß Berg-Karabachs an ihre Sowjetrepublik verhandeln wollte. Doch es scheint, er hat sich selbst exzellent operiert und ist über den Berg. Den Präzedenzfall einer Gebietsveränderung zugunsten Berg -Karabachs konnte und durfte er aus machtpolitischem Kalkül nicht zulassen, nicht jetzt. Zuviele Völker haben den Wunsch nach regionaler Veränderung und mehr Eigenständigkeit: das Baltikum, die Krimtataren, die Tadschiken, auch die Armenier. Das Machtgefüge, das Gorbatschow verändern will, würde aus den Fugen platzen, dies die Perestroika jetzt gefährden.

Und doch scheint mit der nun langsam zu Ende gehenden Streikwelle in Armenien auch die Perestroika einen wichtigen Sieg verbucht zu haben. Zum ersten Mal wurde ein großer Konflikt in der Sowjetunion nicht mehr von den Sicherheitskräften beherrscht, und gefährdete dennoch nicht das System. Im Gegenteil: Jetzt scheinen auch die Unterlegenen eines politischen Machtkampfes mit konstruktiven Lösungen und Kompromissen zu versuchen, die Lage zu entspannen und so einen politischen Spielraum zu gewinnen, der sie später doch zum Ziel der Vereinigung der Enklave mit Armenien führen könnte. Das aber wird erst möglich, wenn sich die Perestroika stabilisiert hat, wenn die Gegner in der Bürokratie eliminiert sind und mit einer regionalen Neuordnung in der ganzen Sowjetunion die Macht dezentralisiert werden kann.

Florian Bohnsack

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