piwik no script img

Trinkt mehr Meer!

■ Trinkkuren mit reinem Meerwasser: früher mit Seewasser direkt aus der Nordsee, heute aus dem Atlantik um Island

Als zu Beginn des vorigen Jahrhunderts die ersten Seebäder wie Heiligendamm und Wangerooge entstanden, wurden dort schon bald Trinkkuren mit Meereswasser angeboten. So mancher Kurgast schlürfte das stark salzhaltige Wasser und vertraute auf die Heilkräfte der darin enthaltenen Mineralstoffe und Spurenelemente. Sie sollen angeblich gegen Störungen in Magen und Darm, Appetitlosigkeit, Erschöpfung oder bei Schlaflosigkeit helfen. Wer heutzutage die Trinkhallen an Nord- und Ostsee aufsucht, den bewegt noch eine andere Frage: Ihn interesiert vor allem, woher das Meerwasser, das er trinkt, kommt und ob es Schadstoffe enthält.

„Ist das zu 50 Prozent Dünnsäure?“ wird Ursula Merten manchmal gefragt, wenn sie eines der Gläschen mit Meerwasser füllt und mit Tomaten- oder Orangensaft mischt. Sie arbeitet seit sechs Jahren in dem Nordseeheilbad Horumersiel für die Bremer Firma Biomaris. Das Unternehmen betreut nach eigenen Angaben alle 36 Trinkkurhallen an Nord- und Ostsee. Als Biomaris

1946 die erste größere Trinkhalle auf Borkum eröffnete, wurde Helgoländer Meerwasser an die Kurgäste ausgeschenkt. Bald jedoch entsprach das Wasser vor der Haustür nicht mehr den Qualitätsvorstellungen. Auf der Suche nach sauberem Seewasser mußten die Wasseranbieter immer weitere Distanzen zurücklegen. Inzwischen stechen pro Monat ein bis zwei Containerschiffe in See, um im Nordatlanik in der Nähe von Island rund 20.000 Liter besseres Meerwasser aufzunehmen und zu transportieren.

Im Horumersieler Kurmittelhaus können skeptische Wassertrinker Gutachten einsehen, die dem Seewasser Schadstoff-Freiheit bescheinigen. Die meisten der Trinkkurgäste glauben den Analysen und trinken das aus den Tiefen des Atlantiks geschöpfte Meerwasser „nach wie vor mit großem Vertrauen“. Seit 50 Jahren nimmt eine 75jährige Rentnerin täglich ein Glas salziges Meerwasser zu sich: „Früher schmeckte das Wasser bei Borkum so gut wie heute das Atlanikwasser“, berichtet sie.

Karina Momm / dp

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen