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AKW Lingen: Justitia im Krebsgang

■ Lüneburger Oberverwaltungsgericht vertraut den Behörden / Die können Kernkraft-Risiken besser bewerten, weil sie „besser als die Gerichte dafür ausgerüstet sind“

Schon im Frühjahr dieses Jahres ging das Kernkraftwerk Lingen II in Betrieb. Daß das zu Recht geschah, konnten die Preußen-Elektra und das niedersächsische Umweltministerium sich jetzt vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg bestätigen lassen. Bemerkenswert daran ist nicht das Routine-Urteil. Bemerkenswert ist nach Ansicht des Bremer Rechtsprofessors und Prozeßbevollmächtigten Gerd Winter, daß das Gericht sich in der Urteilsbegründung selbst entmündigt hat: Die Kammer verzichtet ausdrücklich darauf, das Risiko des AKW

selbst zu bewerten: Das sei Aufgabe der Behörden. Die seien „hierfür besser als die Gerichte ausgerüstet“. Ferner weist die Kammer den Behörden die Definition des „Rest-Risikos“ zu, woran „die Gerichte dann ausdrücklich gebunden sind“.

Für das Lüneburger Gericht ist diese Auffassung ein Novum: Bisher hat es selbst Sachverständige gehört und die Risiken von Kernanlagen eingeschätzt.

Schon 1983 hatte der niederländische Staatsbürger Con Hamers gegen die Betriebsgenehmigung für „Lingen II“ geklagt. Er

lebt hinter der Grenze - aber dennoch in Sichtweite des neuen AKW. Ungeachtet seiner Klage gab das Umweltministerium in Hannover der Preußen-Elektra grünes Licht. Gegen diesen „sofortigen Vollzugsbescheid“ der Umweltbehörde wollte Hamers eine „einstweilige Verfügung“ durchsetzen - und unterlag. Mit seinem jetzigen Beschluß hat die Kammer über Hamers‘ Klage schon halbwegs mitentschieden: Wenn sie auch im Hauptverfahren darauf verzichtet, das Risiko selbst einzuschätzen, dann kann sie sie nur ablehnen.

mw

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