: Heuchler & Co.-betr.: 70.Geburtstag Nelson Mandelas
betr.: 70. Geburtstag Nelson Mandelas
Es ist wieder einmal soweit. Mit Nelson Mandelas 70. Geburtstag haben „Heuchler & Co“, allen voran Massenmedien und die „Creme“ der europäischen Politik, genau das, was sie am dringendsten benötigen: Publicity, Auge und Ohr des Normalbürgers, eine glänzende Möglichkeit, die Öffentlichkeit zu täuschen und sich somit zu profilieren. Dafür nimmt man dann auch einmal alle Jubeljahre leichte Verärgerung seitens der Großkonzerne in Kauf. Hauptsache, während der restlichen 364 Tage im Jahr klappt die Zusammenarbeit - und das offensichtlich zu beidseitiger Zufriedenheit.
Es ist doch eigenartig, daß jetzt diejenigen am lautesten die Freilassung Nelson Mandelas und die Begnadigung der Sharpeville Six fordern („aus humanitären Gründen“), die sich ansonsten mit Händen und Füßen gegen die von der überwältigenden Mehrheit des südafrikanischen Volkes nun seit mehr als zwei Jahrzehnten verlangten, ja erbitteten Wirtschaftssanktionen wehren und so dem faschistoiden Regime in Pretoria die Morde an abertausend Unschuldigen finanzieren.
Warum, so muß man sich fragen, können sich Länder wie die skandinavischen Staaten den „Luxus“ von Wirtschaftssanktionen (Importverbote für diverse südafrikanische Güter) leisten, Wirtschaftsgiganten wie die BRD oder Großbritanien jedoch scheinbar nicht.
An dieser Stelle taucht dann normalerweise das sogenannte „Argument“ auf, Sanktionen fügten denjenigen den größten Schaden zu, denen man doch „so gerne helfen möchte“. Es lohnt nicht, auf eine derart heuchlerische Schutzbehauptung näher einzugehen. Jeden denkenden Menschen muß es mit Abscheu erfüllen, wenn eine Horde profitversessener Großverdiener sich anmaßt, besser über die Belange der schwarzen Mehrheit Bescheid zu wissen als die Betroffenen selbst. Hier kommt versteckter Rassismus zum Vorschein. Statt aber die Möglichkeiten, die die westlichen Staaten aufgrund ihrer wirtschaftlichen Überlegenheit - leider besitzen, auch auszuspielen, beschränkt man sich in Bonn, London und Washington - mit ängstlichem Seitenblick auf die Multis - darauf, in Perioden großer Medienwirksamkeit ebenso kriecherische wie nutzlose Bittresolutionen zu verabschieden oder unterwürfige Appelle zu verschicken. (...)
Damit die Machthaber in Pretoria aber selbst diese winzigen Nadelstiche nicht falsch verstehen, schickt man, sozusagen als Entschädigung, alle paar Monate gewisse hohe Würdenträger zum Kap, was dann die dortige Presse als Solidaritätsbeweis feiert, gleichzeitig jedoch den Millionen Schwarzen zeigt, wie ernst unsere Regierung ihre „Bemühungen um humanitäre Verbesserungen“ nimmt. Wen wundert's dann noch, wenn bei der geknechteten Mehrheit des südafrikanischen Volkes Erinnerungen an dunkle Episoden der deutschen Geschichte wach werden?
Einmal werden die Unterdrückten Südafrikas die Macht erlangen, mit oder ohne unsere Hilfe. Sicher werden sie sich dann an unsere „Unterstützung“ erinnern. Warten wir mal ab, welche Ausreden wir, vor allem: welche Ausreden unsere Multis dann zur Hand haben werden, ob dann wieder das aus früheren Zeiten bekannte „das hab‘ ich nicht gewußt“ aufkommt.
Michael Wefers, Stolberg/Rhld.
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